EU-Gewerkschaften fordern Überwachungs- und Filterinfrastrukturen

Jürgen Scheele hat im Blog der digitalen Linken eine interessante Entdeckung gemacht: UNI-Europa, europäische Sektion des internationalen Dachverbands der Gewerkschaften des Medien- und Unterhaltungssektors (UNI-MEI), hat sich bei der Konsulatation der EU-Kommission zur Netzneutralität beteiligt. Und das Konsultations-Papier schlägt das Urheberrechtspapier von verdi um Längen, über das wir vor kurzem berichtet haben. Im Grunde kann man das Papier auf die zentrale Forderung reduzieren: Totalüberwachung jeglichen Netzverkehrs mit Hilfe von Deep-Packet-Inspection-Technologien zur Filterung von Urheberrechtsverletzungen. Jürgen Scheele fasst das so zusammen: Gewerkschaftsdachverband fordert Netzwerkmanagement zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen.

Nicht nur sollten Technologien des Netzwerkmanagements zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Netz zum Einsatz kommen, sondern auf deren Basis auch Nutzerinnen und Nutzer illegaler Angebote im Vorfeld auf die Rechtswidrigkeit des Aufrufs illegaler Angebote hingewiesen werden sowie geeignete Schritte für ein Access-Blocking solcher Inhalte ergriffen werden.

Ich kann die Stellungnahme von verdi dazu schon vor meinen Augen sehen: Das verstehen wir sicher alles falsch und es ist irgendwie anders gemeint! Daher hier mal eine der entscheidende Stellen aus dem Papier:

Any definition of “non-discrimination” and “reasonable network management” should permit Internet service providers to use all available tools in a competitively neutral manner to detect and prevent the illegal up- and downloading of copyrighted works. Just as reasonable network management practices today are employed to improve the quality of service to end-users (for example to block viruses), they should be permitted to block content distributed in violation of copyright. Net neutrality policies should promote the responsibility of Internet service providers and stipulate requirements regarding network management to tackle unauthorised use of protected works over the Internet. Requirements should include notifications of end-users who try to access copyright-infringing material. Following such notification, appropriate steps to block access to that content should be permitted.

As long as these steps are implemented in an impartial manner, end-users should be able to view all lawfully distributed content of their choice. With respect to such procedures end-users should be informed of their rights and transparency be guaranteed. However the disclosure of specific tools or processes used to screen for stolen material should not be required. Excessive disclosure could undermine efforts to effectively combat the growth of unauthorised use of protected content over the Internet.

Mehr Hintergründe zur Beteiligung von verdi an diesem Papier gibts dann drüben.

Noch Mitglied bei verdi? Dann sollte man sich beschweren. In allen bisherigen Mailkontakten wegen derer Urheberrechtspositionen waren sie immer der Meinung, sie würden die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Schreibt dem verdi-Vorstand, wenn Ihr Euch nicht vertreten fühlt!

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12 Ergänzungen

  1. Die nächste Stufe wäre die Forderung nach Sippenhaft und artgerechter Lagerhaltung in finnischen Gulags für inkonformes Verhalten.

    Mittlerweile fällt mir zu derartigen Ideen nur noch ein, daß deren Ursprung ausschließlich rektaler Natur sein kann. Das ist mit rationalen Denkprozessen nicht mehr erklärbar.

  2. Auf die Gefahr hin, dass die Frage schon öfter gestellt wurde:
    Warum interessieren sich Gewerkschaften für das Urheberrecht?

  3. @Tilmann: Ja, die Frage wurde schon öfter gestellt. :-)

    Gewerkschaften wie ver.di vertreten auch die beruflichen Interessen zahlreicher freier und angestellter Urheber (Journalisten, Übersetzer, Schriftsteller, Filmemacher usw.) sowie der übrigen Beschäftigten von Verlagen und anderen Werkverwertern. Wenn die Geschäftsmodelle der Verwerter nicht mehr funktionieren, werden Mitarbeiter entlassen oder unter Druck gesetzt.

    Insofern haben die Gewerkschaften ein (subjektives) Interesse daran, sich dem Niedergang zum Beispiel der klassischen Verlagshäuser entgegenzustemmen. Ob die Mittel, die sie dabei wählen, Erfolg versprechen, steht auf einem ganz anderen Blatt.

    1. Man sollte natürlich auch bedenken, dass von den rund 2,3 Millionen verdi-Mitgliedern (Vielleicht sind es auch weniger) nur rund 65000 Mitglieder auch berufliche Urheber sind. verdi vergisst leider immer die anderen Mitglieder in diesen Fragen, die dann z.B. unter einem überwachten Internet zu leiden hätten.

  4. Schon klar, es ist ja im Interesse eines freien unabhängigen Journalismus dass man jederzeit genau nachvollziehen kann wo er seine Infos her hat, mit wem er gechattet, Mails getauscht… und null im Interesse des Überwachungsstaates.
    Embedded journalism ist quasi Kinderkacke dagegen.

  5. „verdi vergisst leider immer die anderen Mitglieder in diesen Fragen, die dann z.B. unter einem überwachten Internet zu leiden hätten.“

    Wer sagt, dass die Urheber unter den Mitgliedern nicht unter der Ueberwachung leiden?

  6. Ein paar Gewerkschaften gibt es doch noch, die entschieden gegen das Eigentum, auch das geistige, kämpfen und für freie Meinungsäußerung eintreten. Sie haben auch das ursprüngliche Ziel von Gewerkschaften, die Organisation des Proletariats zur Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, nicht aufgegeben. Wer also über einen Wechsel oder Eintritt nachdenkt, wird dort fündig:

    IWW: http://www.wobblies.de/
    FAU: http://www.fau.org/

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