EU-Kommission legt Strategie zum geistigen Eigentum vor

Für ein zivilisiertes Internet muss man gar nicht erst auf den e-G8-Gipfel warten, hier in Brüssel wird schon länger konkret dran gearbeitet: Nach ihrem Einsatz für Internetsperren, Vorratsdatenspeicherung und das ACTA möchte die Europäische Kommission jetzt die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED) überarbeiten.

Am 24. Mai veröffentlicht die EU-Kommission eine Mitteilung hierzu. In dem bereits geleakten Entwurf dieser Mitteilung heißt es, dass Online-Piraterie an der Quelle beseitigt und daher die Zusammenarbeit mit „intermediaries“, also den Internetdienstanbietern, gefördert werden soll:

(…) tackle the infringements at their source and, to that end, foster cooperation of intermediaries, such as Internet service providers.

Bereits im Vorfeld befürchten daher vor allem Bürgerrechtsorganisationen, dass die Vorschläge der Kommission einen ersten Schritt zur Internetzensur bedeuten und die Grundrechte einschränken werden. Die „verstärkte Zusammenarbeit“ könnte bedeuten, dass Provider zur Überwachung der Netzwerke herangezogen und Webseiten mit illegalen Inhalten gesperrt werden sollen. Die Provider könnten auch aufgefordert werden, bei wiederholten illegalen Downloads den hierfür verwendeten Internetanschluss zu sperren – wie es bereits in Frankreich, Irland oder Großbritannien Gesetz ist. Beunruhigend ist in diesen Ländern, dass keine unabhängigen Rechtsgutachten notwendig sind, um illegale Inhalte oder sogar Internetnutzer vom Netz zu nehmen.

EurActiv hatte in der letzten Woche die Information erhalten, dass sich der zuständige Kommissar Michel Barnier Internetkontrollen nach spanischem Vorbild („Sinde-Gesetz“) für Europa herbeiwünscht. Das mittlerweile gekippte spanische Gesetz sah vor, Webseiten im Schnellverfahren ohne richterliche Anordnung von Behörden zu schließen.

Die EU hat die Türkei wegen ihrer Netz-Zensur kritisiert, aber zumindest gibt es in der Türkei hierzu spezifische Gesetze, während die derzeitigen Vorschläge der [Europäischen] Kommission einen ungeregelten Zustand hervorrufen würden

erklärt Joe McNamee von European Digital Rights (EDRi).

EurActiv schreibt weiterhin, dass der Sonderbeauftragte der UNO für Meinungs- und Pressefreiheit, Frank William La Rue, in zwei Wochen einen Bericht vorlegt. Der Bericht wird wohl die europäischen Pläne scharf kritisieren, nach denen Provider zu Stellvertretern der Strafverfolgungsbehörden gemacht werden sollen. Auch die USA verurteilten erst vor kurzem die hierdurch entstehende „Kultur der Angst“ in einem Strategie-Papier für den Cyberspace (pdf, S. 23 ff.):

The same protections must apply to Internet Service Providers and other providers of con­nectivity, who too often fall victim to legal regimes of intermediary liability that pass the role of censoring legitimate speech down to companies. The United States will be a tireless advocate of fundamental freedoms of speech and association through cyberspace; will work to empower civil society actors, human rights advocates, and journalists in their use of digital media; and will work to encourage governments to address real cyberspace threats, rather than impose upon companies responsibilities of inappropriately limiting either freedom of expression or the free flow of information.

Siehe auch: EDRi-Bericht über die Rolle der Internetprovider in der Rechtsdurchsetzung (pdf).

(Crossposting von vasistas?)

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

14 Ergänzungen

  1. Am seltsamen rechtlichen Konstrukt des „Geistigen Eigentums“ verdienen seit je her in erster Linie diejenigen, die eben nicht die Urheber desselben sind. Anstatt die Mär von der Innovationskraft solcher „Schutzbarrieren“ zu hinterfragen sollen wieder einmal alle Nutzer kriminalisiert werden, die nicht vorab Kohle abdrücken oder sich in der Nutzung beliebig einschränken lassen.
    Und bevor hier wieder die Gralshüter des sogenannten Urheberrechtsschutzes anrücken – ich bin selbst seit über 30 Jahren Autor mit einem erklecklichen Verbreitungsgebiet und kann mir zum Wohl und Nutzen aller Beteiligten eine Menge Vertriebs- und Verwertungsmodelle vorstellen, die ohne parasitäre Wertz(ab)schöpfungsketten in der Mitte auskommen.

    1. Solange die Rechteinhaber Ihre Monopolgewinne abschöpfen werden sie Geld und Energie genug haben das jetzige System zu verteidigen.
      Darum hoffe ich, dass sich durch Creative Commons und Open Source die Idee von Geistigem Eigentum irgendwann einfach obsolet wird.

      Wir werden uns von unseren Kindern anhören müssen: „Du durftest das Buch nicht lesen, weil der Author tot war, das glaube ich dir nicht!“

  2. Habe ich den Kommissar Michel Barnier gewählt? Nein! Was bildet der sich ein, für mich verbindliche Gesetze zu entwerfen! Es muss endlich mit diesem Korruptionssumpf in Brüssel von Grund auf aufgeräumt werden. Dort tummeln sich reihenweise Industrielobbyisten, die auf willfährige Beamte treffen, ohne jede demokratische Kontrolle.

    EU, so nicht (mehr)!

    1. @Longbow4u: Du hast ihn indirekt gewählt, weil die Eu-Kommission durch die EU-staaten besetzt wird. Außerdem müssen EU-Gesetz nochmal durch EU-Parlament und EU-Rat, insofern hast Du da jeweils Anteil. Wenn Dich was stört, helf dabei, eine europäische Zivilgesellschaft zu stärken, die ein Gegengewicht zu den Industrielobbies aufbaut.

  3. Ich mache mir da keine Hoffnungen mehr, der totale überwachungsstaat wird kommen. Als Bürger hat man zudem mangels Beteiligungsmöglichkeiten auch keine Chance irgendwas zu verändern. Alle 4 Jahre irgendeine Partei wählen und dann zuschauen wie die das Gegenteil ihrer Wahlprogramme umsetzen.

    Echte Demokratie sieht jedenfalls anders aus !

    1. Es wird Zeit, dass wir wieder herausfinden, wie viel Spaß man mit Fackeln und Mistgabeln haben kann.

    2. nur mal langsam…..so einfach geht das nicht mehr wie noch vor ein paar jahren. heute sind die leute, die es betrifft (also ausser den „BLÖD“-lesern und den „deutschland sucht das superars..ch-zusehern) wesentlich besser informiert. das was sich herr kauder damals mit franziska heine erlaubt hat bei ihrer anhörung zu der petition würde heute nicht mehr so laufen…jede wette. (sollen wir twittern? etc..)

      die grosse CDSU poltert zwar verzweifelt in der gegend rum, dass die niederlagen „Alles nur der atompolitik“ geschuldet sei, aber das ist mitnichten so. der ganze überwachungsschwachsinn geht den leuten dermassen auf den senkel, ich brauche doch nur in meiner unmittelbaren umgebung zu schauen……

      also, nicht so einfach machen das ganze, die werden sich gehörig umschauen wenn sie weiter gegen die bürgerrechte etc. anarbeiten.

    3. Optimistisch bleiben, es gibt genug Kräfte unter den Bürgern, die es zu verhindern wissen werden. Schon erwähnt von jamesdödel, nimm das Beispiel um die Internetsperren in Deutschland und wie unsere sogenannten Politiker letztlich doch Abstand nahmen vom Gesetz, als sie die Kraft und das Wählerpotential erkannten.

      Es wäre nicht anders, käme es tatsächlich soweit. …. Nein, es käme doch anders, noch größer und es wird nicht in Deutschland umsetzbar sein können. Was dieser Herr Barnier da wünscht, ist nichts anderes als das schon bereits in D gescheiterte Gesetz nur ohne Stoppschild und statt dessen mit direkter Sperrung/Löschung ohne richterlichen Beschluss.

      Unumsetzbar in D! Oder sollte zur Umsetzung dessen wieder die „Keule“ ausgepackt werden?

  4. Immer weiter so……denn dann es wird zum „Napster-Effekt“ kommen….
    Wie war das noch als Napster abgeschaltet wurde; kurze Zeit später gab es Gnutella, Kazaa, Morpheus, Grokster usw. d.h. aus einem Dienst sind viele geworden….und zwar so verändert, dass die Jagd-Strategien die Napster erlegt hatten scheiterten.
    Jetzt wird mit der Überwachung (nebst DPI), den Three-Strikes-Gesetzen, der Sperrung von Seiten eine neue Runde eingeläutet., nur die Gegenmaßnahmen gegen diesen Mist existieren jetzt schon. Sei es das Zwiebelland von TOR und Freenet mit Frost……d.h. je mehr Druck auf das offen sichtbare Netz ausgeübt wird um so attraktiver werden diese Lösungen, was wiederum dafür sorgt, dass diese Systeme (zumindest Freenet) schneller werden.
    Filter, Sperrungen und DPI dürften sich da (und besonders bei Freenet) auch die Zähne aus beißen und die Rechteverwerter werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Röhre schauen….

    bombjack

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.