Als Bertelsmann-Lobbyist im Europaparlament

Wer schon immer mal wissen wollte, wie die europäische Urheberrechtsdirektive entstanden ist, bekommt im Standard ein wenig Nachhilfe:

Was in Berlin rechtens ist, scheint in Brüssel und Straßburg billig, wenn auch nicht kostenlos zu sein: Abgeordnete zum EU- Parlament lassen sich von Großkonzernen bezahlen. Sie arbeiten – sagen sie – neben ihrem Fulltimejob als Mandatar auch noch in der Privatwirtschaft. Das ist fein, zumal in den Sphären der Politik so niemand den Kontakt zum wirklichen Leben verlieren muss.

Der deutsche Elmar Brok zum Beispiel ist Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses im EU-Parlament, Funktionär der Europäischen Konservativen, Lohnabhängiger der Bertelsmann AG. „Ich arbeite täglich 15 bis 18 Stunden“, erklärt er. Wie viel für wen, sagt er nicht dazu. Aber: „Politik ist keine Arbeit, sondern ein Hobby.“ Das aber betreibt er durchaus ambitioniert: Herr Brok, heißt es, habe maßgeblich an der EU-Direktive zum Urheberrecht mitgewirkt, die Medienkonzerne begünstigt (Stichwort: Bertelsmanns Not leidende Musiksparte BMG). Wer solchen offensichtlichen Lobbyismus mit Mandat betreibt, braucht sich etwa um das umstrittene Abgeordnetenstatut im EU-Parlament erst gar nicht zu sorgen.

Die Berliner Zeitung konkretisiert die Tätigkeit von Elmar Brok:

Bleibt der Fall des EVP-Abgeordneten Elmar Brok, der seit 13 Jahren für den Bertelsmann-Konzern als Senior Vice President im Bereich Medienentwicklung tätig ist. Brok reagiert unwirsch, wenn er auf seine Doppelkarriere angesprochen wird. Er habe den Nebenjob für Bertelsmann „vom ersten Tag an“ öffentlich gemacht, sagt Brok. Seine parlamentarische Arbeit und seine Tätigkeit für den Medienkonzern aus Gütersloh seien „sauber getrennt“. So beteilige er sich in Fraktion und Ausschüssen nie an medienpolitischen Debatten und Abstimmungen.

Sehr ausführlich geht auch german-foreign-policy.org auf Elmar Brok ein und widmet dem Fall gleich eine ganze Analyse über die Arbeit der Bertelsmannstiftung:


Spezialaufgabe
Die Konzern-Stiftung, erklärt Böckelmann, ,,ist mit ihren Experten in allen maßgeblichen Gremien auf deutscher und europäischer Ebene präsent. Ohne Bertelsmann oder gar gegen Bertelsmann geht hier nichts mehr.“ Wie ein Konzernsprecher mitteilt, ist es im Rahmen der Gesamt-Aktivitäten des Unternehmens die spezielle Aufgabe des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok, ,,die internationalen gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen zu beobachten und für das Unternehmen mit Blick auf Investitionen zu bewerten“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet über die Umbenennung seiner Tätigkeit:

Media Development nennt sich seit neuerem, wofür der Konzern Bertelsmann den Europaabgeordneten Elmar Brok (CDU) bezahlt; vor kurzem hieß er noch „Europabeauftragter des Vorstandes”.

Der Taz gab er Ende Dezember ein Interview zu seinen Tätigkeiten, wo er genauer auf die Hobby-Frage eingeht:

Frage: Wahrscheinlich weil sich jeder wundert, wie Sie das eigentlich schaffen: Ihr Mandat, Ihre Parteiämter – und dann auch noch Bertelsmann?

Antwort: Indem ich 15 bis 18 Stunden täglich arbeite. Ich mache Fehler, aber mangelnden Fleiß hat mir noch niemand vorgeworfen. Es gibt viele, die so viel arbeiten – Journalisten doch auch.

Elmar Brok´s „Hobby“, Politik zu machen, umfasst mindestens folgende Ämter und Positionen:

* MdEP seit 1980
* Mitglied im Vorstand der EVP-Fraktion,
* Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik,
* stellv. Mitglied im Ausschuss für konstitutionelle Fragen,
* Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten,
* Stellv. Vorsitzender der Transatlantic Policy Network Parlamentariergruppe,
* Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten
* Vorsitzender der Studiengruppe „Erweiterung“ des Instituts für Europäische Politik, Bonn,
* Präsident der Europa-Union Deutschlands,
* Stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Bewegung Deutschlands,
* Seit Dezember 2004 Mitglied im Bundesvorstand der CDU Deutschlands
* Vorsitzender des Bundesfachausschusses Europapolitik der CDU (seit 1999).
* Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der CDU Nordrhein-Westfalen (seit 1994).
* CDU-Bezirksvorsitzender Ostwestfalen-Lippe (seit 1996).
* Präsident der Europäischen Union Christlich-Demokratischer Arbeitnehmer (EUCDA, seit 2002 [1993-2002: Vizepräsident])
*Mitglied des Politischen Büros der EVP.

Dies fand ich auf den Seiten der CDU und auf seiner Homepage.

Wieviel Zeit soll da noch für seine Tätigkeit bei Bertelsmann bleiben, wenn er seine Aufgaben gewissenhaft wahr nimmt?

Update: Die Neue Westfälische hat Angaben zum Verdienst:

Zur Höhe der Einkünfte äußert sich Brok nicht. Nur so viel: Die in der FAZ genannten 200.000 Euro im Jahr seien falsch. Auch die Bertelsmann AG als Arbeitgeber schweigt sich aus. Allerdings bezifferte Brok vor einigen Wochen die 60.000 Euro, die der inzwischen gestürzte Hermann-Josef Arentz (CDU) von RWE erhalten hat, als geringen Betrag.

Als die Süddeutsche Zeitung nun schrieb, dass Brok als Bertelsmanns „Vorposten in Brüssel“ dem Unternehmen aus einem internen Diskussionspapier Informationen weitergegeben habe, reagierte der Bielefelder indes prompt. „Diese Behauptung ist nicht korrekt. Es handelte sich bei diesem Diskussionspapier um ein Dokument, das in weiten Teilen der Öffentlichkeit verbreitet war“, schreibt Brok in einem Leserbrief an die SZ.

Update: Nun berichtet auch die Welt am Sonntag am 6. Februar über die Bertelsmann-Connection und Überschneidungen von Elmar Broks Tätigkeiten:

Doch es gibt sehr wohl Überschneidungen, zum Beispiel bei jenem Interview. Es war Teil eines großen Porträts über den 58jährigen in der ersten Ausgabe des CDU-Magazins „Bei uns in NRW“ im Mai 2004. Ein solch farbiges Magazin will freilich durch Anzeigen finanziert werden. Und den prominentesten und mit Abstand teuersten Platz nahm ausgerechnet Bertelsmann ein.

Der Medienkonzern aus Gütersloh hat gleich die ganze Rückseite des Magazins belegt. Die kostet nach Angaben des verantwortlichen BK-Verlags in Mainz 19 980 Euro. Die NRW-CDU um Fraktionschef Jürgen Rüttgers wird sich über eine solch großzügige Zahlung gewiß gefreut haben. Daß dessen „Mann für Europa“ zugleich einen attraktiven Nebenjob beim besten Anzeigenkunden der Union hat, spielt da wohl nur eine Nebenrolle.

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