Neues vom JMStV: NRW vertagt, Schaulaufen in RLP, Ausschusstermin in Sachsen-Anhalt

So langsam wird es spannend. Muss ja auch, schließlich soll der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zum 1. Januar 2011 bundesweit geltendes Recht werden. Wegen der Kinder, jenseits aller Bedenken. Damit er das werden kann, müssen zunächst die Parlamente auf Landesebene zustimmen und den „Vierzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge“ in geltendes Landesrecht umsetzen. Das passiert zur Zeit (Achtung, fehlerhafte Notiztabelle!).

In Nordrhein-Westfalen wurde gestern der noch von Regierung Rüttgers eingebrachte Gesetzentwurf im Landtag beraten. Nur kurz, weil. es kam, wie ich – dank Jens vom Pottblog – letzte Woche schrieb: Der Angelegengeit wurde mehr oder weniger direkt an den Haupt- und Medienausschuss verwiesen. Zudem soll es, auch das wurde bestätigt, vor der Abstimmung im Landtag noch eine Expertenanhörung geben. Damit dürfte sich die eigentliche Entscheidung in den November oder Dezember verschieben.

Und nun? Schaut man sich die Machtverhältnisse im Bund an, ist NRW für dem Entwurf kritisch gegenüberstehende Berufsoptimisten nach wie vor eines von vielleicht 3 Ländern, das den Staatsvertrag noch scheitern lassen kann. Während Jens verhalten optimistisch ist („Licht am Ende des Tunnels!“), dass dies tatsächlich passieren könnte, bin ich eher skeptisch („Das ist ein Zug!“).

Und das nicht nur, weil gestern in der Landtagsdebatte bereits das böse Wort „Entschließungsantrag“ fiel. Entschließungsantrag bedeutet: Man winkt ein Gesetz durch und legt ein Schriftstück bei, dass man es eigentlich gar nicht wollte. Die geplante Expertenanhörung wäre dann allenfalls eine Veranstaltung zur Wahrung des parlamentarischen Scheins. Selbstverständlich wurde auch gleich das Gegenteil betont.

Apropos Debatte im Landtag, wir waren im Fernsehen! Naja, nicht direkt, und auch nur im gestreamten Landtags-TV. Der Abgeordnete Ralf Witzel (FDP) hat nämlich in einer Zwischenfrage die – inzwischen hoffentlich überholte – Erklärung von Matthi Bolte verlesen, warum die Grünen die „schwarz-gelbe Altlast“ JMStV durchwinken müssen. Die war hier bei Netzpolitik am 1. September Thema (Und jetzt mal unter uns, Herr Witzel: Die Frage, ob der Text authentisch sei, war hoffentlich rhetorischer Natur, oder?).

Falls jemand noch einmal reinhören möchte, ich war so frei, die Redebeiträge aus dem aufgezeichneten Real-Media-Stream zu befreien (Sorry für die lausige Qualität):

  1. Redebeitrag Medien-Ministerin Angelica Schwall-Düren (SPD)
  2. Redebeitrag Andreas Krautscheid (CDU)
  3. Redebeitrag Alexander Vogt (SPD)
  4. Redebeitrag Matthi Bolte (Grüne)
  5. Redebeitrag Ralf Witzel (FDP)
  6. Redebeitrag Rüdiger Sagel (Die Linke)

Neuigkeiten gibt es auch aus dem Königreich von Kurt Beck. Am 23. September findet im Landtag von Rheinland-Pfalz vor dem Ausschusses für Medien und Multimedia eine öffentliche Anhörung im statt. Nein, RLP gehört wahrlich nicht zu Ländern, in denen man auf eine Meuterei hoffen darf – schließlich war die Mainzer Staatskanzlei federführend am Entwurf des neuen JMStV beteiligt – ein ganz klein wenig überrascht die Auswahl der geladenen Experten aber schon.

Eingeladen sind, neben dem BKM-Mitarbeiter Hans Hanten (der neben Martin Stadelmaier aus der Staatskanzlei RLP als einer der Väter des JMStV gilt), Vertreter von Jugendschutz.net, BITKOM, FSM, 1&1 Internet AG, der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der Europäischen Kommission und des Hans-Bredow-Instituts.

Alvar Freude liegt sicher nicht völlig daneben, wenn er angesichts dieser erlesenen Gesellschaft von einer „Alibi-Anhörung“ spricht:

Klar ist: Die überwiegende Mehrheit der Gäste war an der Entwicklung des JMStV beteiligt, man wird also den „brauchbaren Kompromiss“ loben. Kein einziger Medienpädagoge und kein Vertreter der Netzgemeinschaft sind geladen. Die will man in Mainz offensichtlich nicht hören, denn diejenigen die sich mit Jugendlichen und deren Medienkonsum auskennen (Medienpädagogen) sowie die Netz-Nutzer würden die Gesamtidee hinter dem JMStV in Frage stellen und dazu aufrufen, die Änderungen am JMStV abzulehnen.

Beraten wird über den JMStV auch einen Tag später (24.09.) im schwarz-rot regierten Sachsen-Anhalt. Die Sitzung des Ausschusses für „Bundes- und Europaangelenheiten sowie Medien“, in dem eine Beschlussempfehlung (vsl. „Lieber Landtag, bitte zustimmen!“) erarbeitet werden soll, ist allerdings nicht öffentlich. Zumindest steht davon nichts in der Einladung (PDF). Eine Woche später ist dann wohl Hessen an der Reihe.

PS: Wer meine fehlerhafte Notiztabelle zum JMStV ergänzen kann oder Korrekturen hat: Bitte in die Kommentare. Danke!

14 Ergänzungen

  1. Ergänzung zum Stand in Bremen:

    Die 1. Lesung war am 24.08.2010, dort wurde das Thema zur Beratung in den Medienausschuss überwiesen, die Sitzung des Ausschusses war am 27.08.
    Am 23.04. hat es im Medienausschuss bereits eine öffentliche Anhörung gegeben. Dazu gibt es leider kein Protokoll online. Zur Anhörung waren geladen:
    – Ekkehart Siering (Referatsleiter Medien und IT Senatskanzlei)
    – Cornelia Holsten (Direktorin der Landesmedienanstalt)
    – Markus Gerstmann (jugendinfo.de)

  2. Wer hat uns verraten? Die Soz, ach nee, diesmal die Grünen :-D

    Würden die Grünen also auch für die Atomkraft werben wenn sie auf Merkels Regierung folgen? Wegen der Tradition und so?

    Nächstes mal besser gleich die Piraten wählen…

  3. Daß man sich nur Experten einlädt die gleicher Meinung sind und die einem nur das erzählen was man selber hören will, das ist doch inzwischen nix neues. Es suggeriert nach außen daß man sich \Fachkenntnis\ eingeholt hat, aber in Wirklichkeit hat es nur reine Feigenblattfunktion auf dem Weg dahin, das durchzusetzen was man \politisch will\. Schauen wir doch nur zur EU und den Netzsperren-Plänen, was da für \Experten\ für die Anhörung nächste Woche eingeladen sind. Wenn man die Liste liest, wird einem nur schlecht, und man weiß genau wie es ausgehen wird, vielmehr, auf welchen Ausgang die EU zwingend hinsteuern will. Entgegen aller Zweifel und Warnungen.

  4. Niedersachsen: Da das Gesetz direkt an den Ausschuss für „Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien“ überwiesen wurden war, fand dort die erste Lesung am Freitag (17.09.) statt.

    Einen stenografische Bericht wird deshalb wohl nicht geben, nur einen „Kurzbericht“, der jedoch noch nicht veröffentlicht wurden ist (siehe http://is.gd/fihKy ). Daher ist das Ergebnis noch nicht bekannt.

    Wann das Ding in den Landtag geht, steht noch nicht fest. Nächster Sitzungstermin des Landtags ist jedoch vom 5. – 8. Oktober.

    Der ganze Vorgang läuft unter der Nummer 16/2653, siehe http://is.gd/fihwT

  5. Hallo,

    herzlichen Dank für den Artikel.

    Es muss m.E.n. aber „Entschließungsantrag“ und nicht „Erschließungsantrag“ heißen, schließlich geht es darum, etwas zu entschließen und nicht zu erschließen, was zweifellos der Sache angemessener wäre ;)

    Beste Grüße
    Jörn

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.