Frankreich: Mit Netzsperren gegen DDoS-Attacken

In der letzten Woche wurde in der französischen Nationalversammlung ein Gesetzentwurf mit dem klangvollen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Kampfes gegen Cyberangriffe und für eine zivilisiertere und stärkere, digitale Welt“ eingereicht. Die Nationalversammlung könnte, trotz zu vollem parlamentarischen Kalender, vielleicht schon in den nächsten Monaten über diesen Text beraten.

Der Vorschlag stammt aus der Feder der Abgeordneten der konservativen Mehrheitspartei UMP, Muriel Marland-Militello. Da sie härter gegen die „digitalen Terroristen“ und insbesondere gegen DDoS-Attacken vorgehen möchte, schlägt sie insbesondere für Angriffe auf institutionelle Seiten oder Systeme eine zweijährige Internetsperre vor.

Ohne technisch zu sehr ins Detail zu gehen, eine populär gewordene Methode für Angriffe auf Internetseiten, ist die DoS-Attacke (DoS – denial of service auf Englisch): Attacken via TCP/SYN flooding, UDP flooding, packet fragmentation, smurfing, etc.

Die Abgeordnete hat für die Begründung des Entwurfs tief in die Wortschatzkiste des Präsidenten Sarkozy gegriffen: Sie betont vor allem, dass das Strafgesetzbuch nicht ausreichend sei, um gegen Cyberattacken vorzugehen und effizient die digitale Welt zu zivilisieren.

In Punkt 4 der Begründung erwähnt die Abgeordnete das Schicksal, das die Hadopi-Propaganda-Seite jaimelesartistes.fr (frei übersetzt in etwa „ein Herz für Künstler“) erleiden musste. Zur Vorgeschichte: Im März 2009 erklärte der französische Minister für Kultur, dass die Seite so dermaßen stark gepanzert sei, dass sie jedem Angriff stand hielte. Einige Augenblicke später verschwand sie auf nimmer Wiedersehen aus dem Netz.

Daher der Vorschlag der Abgeordneten: Das Strafmaß verdoppeln. Konkret heißt das maximal 10 Jahre Haft und 150.000 Euro Geldbuße. Das ist aber noch nicht alles: auch eine Netzsperre von zwei Jahren soll für eventuelle Piraten und Hacker eingeführt werden. Der Entwurf nutzt hierfür die in Frankreich bestehenden Regelungen des Hadopi-Gesetzes, das die Abschaltung des Internetanschlusses von Bürgern vorsieht, die wiederholt gegen das Urheberrecht verstoßen. Im vorliegenden Entwurf liest sich der Abschnitt zu den Netzsperren tatsächlich wie ein Copy-Paste des Artikels über die Three-Strikes-Regelung.

eg8Madame Marland-Mitrello engagiert sich für Sarkozy‘s Idee eines zivilisierten Internets und verspricht sich von daher viel vom kommenden Internet-Gipfel e-G8 (Twitter hashtag #eg8), der am 24. und 25. Mai in Paris stattfindet. Zuckerberg, Schmidt und Bezos haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. Der Blogger Nova Spivack veröffentlichte hier seine Einladung sowie das Programm des Gipfels. Mehrere netzpolitische Bürgerrechtsorganisationen haben sich derweil zusammengeschlossen, um gegen den e-G8 zu protestieren und kreativ aktiv zu werden:

Als Gastgeber des G8-Gipfels will der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine zentralisierte Kontrolle des Internets verstärken. Er hat die großen Staatsoberhäupter der Welt zu einem Gipfel berufen, der ein “zivilisiertes Internet” zum Ziel haben soll – ein Konzept, das er sich von der chinesischen Regierung abgeguckt hat. Indem Ängste wie “Cyber-Terrorismus” beschworen werden, soll Ausnahmeregelungen erst zur Akzeptanz verholfen werden, um sie dann zur Regel zu machen: So sollen Zensur und Kontrolle langsam eingeführt werden – und Meinungsfreiheit und Bürgerrechte eingeschränkt werden.

Wie immer werden sie diese Gesetze hinter Wörtern wie “Demokratie” und “Verantwortung” verstecken und damit schmücken – aber bewerten wie sie doch anhand ihrer Taten: Sarkozy hat in Frankreich schon die “digitale Todesstrafe”, das Abschalten von Internetanschlüssen (3-strikes) und eine Netzzensur-Infrastruktur erfolgreich eingeführt! Das zeigt, wo es langgehen soll.

(Crossposting von vasistas?)

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12 Ergänzungen

  1. Na dann kann man ja drauf warten das man in Zukunft wenn man aus versehen teil eines DDoS geworden ist (Trojaner…) ja drauf warten das man 2 Jahre lang Internet verbot bekommt.

    Glücklicherweise werden dann Politiker und andere Netz-Analphabeten als erstes aus dem Netz verschwinden ;-)

  2. 10 Jahre für einen DDoS-Angriff? Warum nicht gleich die Todesstrafe? Das würde es auch nicht absurder machen, aber man könnte sich die Internetsperren sparen ;-)

    Aber mal ehrlich: Gibt es im französischen Recht keinen Paragraphen, der eine Verhältnismäßigkeit der Strafen einfordert?

  3. Danke für ein weiteres Argument gegen Internetsperren (im Sinne von Anschluss kappen) bei irgendwelchen Rechtsverstößen.
    Gestern Urheberrecht, heute DDoS und morgen?
    Und am besten auch wieder vorbei an Gerichten.

    Warum wurde eigentlich noch keine Gesetzte eingebracht die eine Telefonsperre zur Folge haben oder so? Oder ne Autofahrsperre bei wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen. Ich meine da gibt’s das ja sogar schon, auch wenn das wohl eher erst passiert wenn man aktiv Menschenleben gefährdet.

  4. Früher oder später wird eine der Parteien wohl ein zweites Internet aufmachen. Entweder die Regierungen, damit sie dort endlich die ersehnte volle Kontrolle haben, oder aber die Zivilgesellschaft, um endlich wieder ein freies Kommunikationsmedium zu haben…

  5. Ahm, eins verstehe ich ganz nicht: Gelten die zwei Jahre Netzsperre, während ich im Knast sitze oder danach?
    Im ersten Fall könnte es mir dann ja ziemlich egal sein – was interessiert mich im Knast, ob mein Internetzugang zuhause noch funktioniert. Im zweiten Fall … nee, das traue ich Politikern nicht zu, dass die so schlau sind (zumindest den meisten nicht).

    Und was ein Bekannter ansprach: Was passiert, wenn auf einen Server gerade eine DDoS-Attacke läuft und ich stelle eine berechtigte Anfrage (rufe z.B. die entsprechende Website auf) und bringe damit den Server erst zum Zusammenbrechen – bin ich dann auch dran?

    Manchmal bin ich ernsthaft der Meinung, wir sollten mal wieder in Frankreich einmarschieren – allein schon aus Selbstschutz.

    1. Ich hoffe, die Franzosen tragen noch einen Funken Revolutionsgeist in sich und regeln das im Zweifel selbst…

  6. Die Regierenden Wirtschafts und Politeliten haben wohl immer größere Angst vor dem eigenen Volk und das wie mir scheint aus gutem Grund.

    Sobald es hier zu unruhen kommt ist doch davon auszugehen das die Regierungen solche Gesetze als erstes gegen Leute mit unbequemen Meinungen einsetzen. Eine angebliche Urheberrechtsverletzung usw lässt sich ja leicht konstruieren um den lässtigen Blogger loszuwerden.

  7. Au fein, da empören sich die Seitenbetreiber über einen hack, den sie selbst mit kilometerweit sichtbarer Zielscheibe provoziert haben.

    Mal im Ernst, selbst wenn man die Verhältnismäßigkeit (ich denke da z.B. an Sexualverbrechen, die nur mit 2 Jahren geahndet werden…) außen vor lässt:
    Wenn Strafen in der Hinsicht abschrecken würden, dann würden 5 Jahre bei weitem ausreichen. Ergo liegt die Vermutung nahe, dass ein verschärftes Strafmaß ebenso wenig bringt. Außer natürlich die Bevölkerung gegen sich auf.

    Außerdem… ist es denn gerechtfertigt, dass DDoS gegen „offizielle“ Seiten schwerwiegender sein soll als gegen eine Ottonormaluserpage, Wikileaks oder 4chan? Ist das nicht auch eine Form von Diskriminierung und gleicher-als-gleich?

    Ich denke, denen geht es vor allem um die Angst davor, dass es „da draußen im Internet“ Leute gibt, die bei weitem mehr Ahnung haben als sie oder ihre Experten und die ggf. die Mittel und das Know-how haben, ALLES zu hacken. Und was gehackt werden *kann* ist nicht mehr sicher, ergo Kontrollverlust.

  8. man sollte das mal im großen Zusammenhang sehen, und zwar wikileaks – jasmin revolution – spanische revolution über all geht es darum macht der mächtigen zu begrenzen… Offene Kommunikation Transparenz Freie Information und das passt den Mächtigen natürlich nicht ins Konzept. Hinzu kommt das diese Bewegungen über Soziale Netzwerke kommunizieren und hier Information ungefiltert fliessen kann auch Aktionen blitzschnell organisieren zBsp Flashmobs oder natürlich sich auch wehren kann als Teil eines solchen Social Network Stichwort Anonymus. Auch kommen Dinge zum Vorschein die nur zu gerne unter dem Teppich der Mächtigen gehalten werden sollen…..
    Sprich ein offene und nicht unterwürfige Gesellschaft und genau da fängt es an deshalb versuchen Staaliche Stellen das zu verhindern und sei es „nur“ durch Nicht Berichterstattung oder verspäteter Berichtserstattung siehe Spanische Revolution in den klassischen Medien sei es nun Print oder die staatlichen Sendeanstalten die bei der spanischen Revolution verschwiegen
    Siehe;
    # http://le-bohemien.net/2011/05/18/spaniens-jugend-auf-der-strasse/#more-5843

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