Frankreich und Urheberrecht – Franzosen sind cool!

Gestern und heute läuft im französischen Parlament eine Debatte über die Verschärfung der Urheberrechtsgesetzgebung. Ich hatte darüber schonmal vor zwei Wochen geschrieben (Frankreich plant digitale Katastrophe). Gestern noch fasste Stefan Krempl auf Heise den aktuellen Stand vor der Debatte zusammen: Heftige Proteste gegen geplante französische Urheberrechtsverschärfung.

Heute sieht es eher verwirrend aus. Englisch- oder gar deutschsprachige Berichte gibt es bisher nur spärlich, auch die Kampagnenseite EUCD.info hat keine aktuellen News. Dafür gibt es bei intern.de einen Dreizeiler, dass es auf einmal ganz anders aussieht: Frankreich legalisiert P2P Tausch?

Die Abgeordneten des französischen Parlaments sorgten gestern für eine Überraschung: Mit knapper Mehrheit wurden zwei inhaltlich identische Anträge auf Erweiterung der vorläufigen Fassung des neuen Urheberrechtsgesetzes angenommen. Diese Erweiterungen legalisieren den Austausch urheberrechtlich geschützter Daten in Peer-to-Peer Netzwerken. Damit aber wird der gesamte Gesetzesentwurf in Frage gestellt, denn mit der Novelle wird eigentlich ein stärkerer Schutz des Urheberrechts angestrebt.

Eine andere französische Kampagnenseite berichtet auch darüber: France is the first country to propose the legalization of p2p downloading.

Ich bin mal gespannt, was heute dort noch heraus kommt.

Update: Scheint sehr gut auszusehen. Jetzt berichtet auch Bloomberg darüber: French Parliament Votes to Allow Web File Sharing. Die scheinen tatsächlich einen Passus beschlossen zu haben, dass Pauschalabgaben auf Internetzugänge erhoben werden sollen, um Filesharing legalisieren zu können:

Soufron of Audionautes said any system that allowed unlimited downloading could be accompanied by a system similar to the royalty tax that exists for blank compact disks and DVDs.

Under the amendment, Internet service providers would pay part of their revenue to Sacem, a group that has handled artists‘ royalties since 1851, Soufron said. Details of the payments are not in the amendment. The group redistributed 578 million euros to musicians last year.

Wir hatten vor einem Jahr in einer Stellungnahme von Privatkopie.net, FifF und dem Netzwerk Neue Medien zum 2. Korb des Urheberrechtes dem Bundesjustizministerium dieselbe Richtung vorgeschlagen.

Ganze 58 Parlamentarier waren bei der Debatte und den Abstimmungen der Änderungsanträge dabei – 577 Abgeordneten zählt das Parlament normalerweise. Der Änderungsantrag zum Thema Filesharing legalisieren wurde dabei in einer Kampfabstimmung beschlossen. Lustige Sache: 30 Abgeordnete stimmten dafür, 28 dagegen. Französische Politik funktioniert anscheinend anders als in Deutschland, dort emanzipiert sich das Parlament wenigstens noch von der Regierung.

Vermutlich werden sie den Gesetzesprozess jetzt wieder neu starten. Anscheinend wollen sie die Anträge heute nochmal neu abstimmen lassen, weil das Kulturministerium mit der Abstimmung nicht einverstanden ist.

Die Bloomberg-Story ist jetzt auch auf Slashdot: France to Legalize File Sharing. Dort findet sich auch der Hinweis auf einen französisch-sprachigen Artikel bei Le Liberation: La nuit où l’Assemblée a «dépénalisé» le P2P. Und hier gibts die Babelfish-Übersetzung.

Update:

Den ersten deutschsprachigen Artikel dazu hat die Netzeitung: Pariser Parlament legalisiert Tauschbörsen.

Und auch Heise berichtet nun: Französische Abgeordnete wollen private Tauschbörsen-Nutzung legalisieren.

Im Kern geht es in der Ergänzung zum ursprünglichen Gesetzesentwurf um die Sicherung der Privatkopie. Es untersagt Urhebern und Verwertern, „die Reproduktion von Werken für die private Nutzung aus einem Kommunikationsdienst zu verbieten“. Das Medienformat oder der Datenträger sollen dabei keine Rolle spielen. Zuvor hatte Christian Paul von den Sozialisten die Abgeordneten rhetorisch zu einer „Reise in die Tiefen der digitalen Hölle“ entführt und sich darüber beklagt, dass gekaufte CDs aufgrund technischer Kopierschutzmaßnahmen „auf einem Abspielgerät dieser oder jener Marke nicht mehr gelesen werden“ könnten. Songs, die man auf einer kommerziellen Musik-Plattform erwerbe, könne man aufgrund Kompatibilitätsproblemen ebenfalls nicht beliebig anhören. Die Frage, inwieweit die Privatkopie auch gegen technische Schutzmaßnahmen durchsetzbar sein soll, haben die Abgeordneten noch nicht erörtert.

Update:

AP berichtet: France Lawmakers Endorse File-Sharing

Under the original proposals, those caught pirating copy-protected material would have faced $360,000 in fines and up to three years in jail. An 11th-hour government offer to give illegal downloaders two warnings prior to prosecution was not enough to stem the rebellion. Instead, the amendments voted would legalize file-sharing by anyone paying a monthly royalties duty estimated at $8.50.

But UFC-Que Choisir, France’s largest consumer group, said the plan would create a „new area of freedom allowing Internet users access to cultural diversity and fair payment for creators.“

Heute gab es wohl keine weitere Abstimmung. Jetzt soll nochmal allen Seiten zugehört werden, und dann gibt es wohl die nächste Abstimmung, vermutlich in der nächsten Kammer. Davon gibt es zwei, vermutlich ähnlich zu Bundestag und Bundesrat. Aber ich kenne das französische Politiksystem zu wenig, wie mir gerade auffällt. Die Abstimmung wird nicht vor dem 17. Januar erwartet. Bis dahin rennen vermutlich die ganzen Lobbyisten den Abgeordneten die Bude ein.

Update:

The Register hat die umstrittene Passage: France votes to legalize flat-fee P2P downloads

Parliament voted 30-28 to add the following statement, tabled by UMP Alain Suguenot, to article L-122-5:

„Authors cannot forbid the reproductions of Works that are made on any format from an online communication service when they are intented to be used privately and when they do not imply commercial means directly or indirectly.“

The Parliament’s vote is at odds with the position taken by the French government and the EU, which want to criminalize fire sharers, and hope the problem of leakage, and therefore compensation, go away.

The French culture minister Renaud Donnedieu de Vabres has said the government will fight the vote.

Futurezone: Frankreich kämpft um legales Filesharing

Heise: Französisches Parlament vertagt Endabstimmung zum Urheberrechtsgesetz

Spiegel: Frankreichs Parlament will P2P legalisieren

Telepolis: Freier Tausch statt Knast in Frankreich?

IHT: In France, a movement to legalize Web piracy of films and music

Update:

Kleine Nebengeschichte: Wie Le Liberation berichtet, hat der französische Kulturminister noch am Morgen der Abstimmun die Unternehmen Fnac und Virgin ins Parlament eingeladen, um ihre DRM Online-Stores vorzustellen. An die Abgeordneten wurden 9,99€-Gutscheine verteilt. Der Bestechungsversuch hat wohl nicht geklappt…

Auch interessant:

Le Liberation: Le copiage sur les réseaux P2P n’influerait pas sur les achats de CD et DVD

News.com: France may sanction unfettered P2P downloads

Gulli: Filesharing in Frankreich: Entscheidung aufgeschoben

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