Stadtbibliothek macht ihre eigene „Vorratsdatenspeicherung“ (Update 2)

Update: Anscheinend ist die Regelung mittlerweile abgeändert worden. Mehr Informationen dazu sollte es heute Abend geben.

Update 2: Die Regierungsfraktionen in Gießen haben sich nun wohl auf diese Formulierung geeinigt, über die am Donnerstag Abend abgestimmt werden soll:

Die Stadt Gießen behält sich vor, folgende Daten der Internetnutzung zu protokollieren: Anmeldekennung, Adresse des Rechners, Datum und Uhrzeit. Auf Wunsch des Nutzers können auch aufgerufene Internetseiten heruntergeladene Dateien und Volumen des Datentransfers protokolliert werden.
Die Protokolldateien werden für einen Zeitraum von 180 Tagen gespeichert.

Wer in der Gießener Stadtbibliothek künftig das Internet nutzt, soll dabei unter besonderer Beobachtung stehen. Die Stadtoberen wollen eine umfassende Speicherung von Nutzungsdaten einführen, berichtet die Gießener Allgemeine. Analysiert werden sollen die erhobenen Daten angeblich nur, „wenn einmal etwas passiert“.

Die Stadt Gießen behält sich vor, folgende Daten der Internetnutzung zu protokollieren: Anmeldekennung, Adresse des Rechners, Datum und Uhrzeit, aufgerufene Internetseiten, heruntergeladene Dateien und Volumen des Datentransfers. Diese Protokolldateien werden für einen Zeitraum von 180 Tagen gespeichert.

Diese Sätze sollen in die Benutzungsordnung der Bibliothek eingefügt werden. Der Kulturdezernent der Stadt begründet das damit, dass man „Missbrauchsfälle aufklären“ wolle. Verboten ist, an den Bücherei-Computern Seiten „gewaltverherrlichenden, pornografischen, rassistischen, jugendgefährdenden oder sonstigen illegalen Inhalts“ aufzurufen.

Wir sehen uns in der Verpflichtung: Wenn wir den Zugang zum Internet öffnen, soll der rechtskonform sein“, sagt Kulturdezernent Harald Scherer. Datenschutzrechtlich geprüft worden sei die Maßnahme im übrigen auch. Nur das Augenmaß scheint auf dem Weg vergessen worden zu sein.

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30 Ergänzungen

    1. Aber nein, das ist doch nur eine moderne Form der „Verordnung über die Entwicklung fortschrittlicher Literatur“, passend zum 20. Jahrestag.

  1. pornografischen […] oder sonstigen illegalen Inhalts

    Hat Ajatollah Ursel schon wieder irgendwas zensiert, oder redet der Kulturdezernent Harald Scherer Unsinn?

    Oh, der ist wohl FDP. Na, vielleicht hat er doch eher Angst, dass ein Terrorrismuskind sich das Lieblingslied raubmassenmordkopiert.

  2. Na sicher, aber hauptsache Flatrate-Parties für Jugendliche bleiben legal.

    Ebenso wie der Verkauf von Alkohol und Tabak an Jugendliche nur halbherzig verfolgt wird.

  3. In Schulen ist das mittlerweile standart…

    Da wird zusätzlich noch protokolliert, an wen man Emails schickt, wie lang die sind, …..

  4. Schönes Mittelalter, in das wir da immer offensichtlicher hineinreiten. Ich hoffe, es geht dieses Mal schneller bis zur Rerenaissance als beim ersten/letzten Mal…

    Echt nur noch z.K., diese wildwuchernde Wiederauferstehung des abendländlischen Miefs.

  5. Har har. Es regen sich hier alle auf, aber dies ist kein Dienst den man zwingend nutzen muss. Wenn man etwas recherchieren will, sind diese Regelungen eh schnurz piep egal. Ich sehe da jetzt kein Problem, wenn sich die Bibo vor einem klagenden Elternmob schützen will

  6. @killergeneration: Gerade Bibs sind dafür da Zugang zu Wissen für Alle anzubieten, und ja, es gibt durchaus noch Leute ohne Internet! Denen die darauf angewiesen sind dann nur ein überwachtes Netz, bei dem man aufpassen muss was man sich anschaut zu geben während sich die „Wohlhabenden“ ein freieres Netz leisten können ist schon perfide.
    Abgesehen davon ist das zum Teufel auch nicht Aufgabe der Bib, die geht es ja auch nichts an welche ihrer Bücher ich da vor Ort lese… auch wenn ich dabei die Möglichkeit habe Vandalismus zu betreiben.

  7. Das Vorgehen ist schlichtweg Verboten. Selbst nach der VDS…

    §113b tkg
    (8) Der Inhalt der Kommunikation und Daten über aufgerufene Internetseiten dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden.

    Dass man mit Jugendschutz dort massiv übetreibt sieht man auch an der Frankfurter Bib. Als ich mich mal mit einen Komulitonen zwecks Ausarbeitung dort getroffen habe, hab ich das selbst bemerkt. Auf der Suche war ich nach Themen der digitalen Signalverarbeitung.. Oft genug kam ne Sperrmeldung. Dabei hat das Thema noch weniger mit Sex und Gewalt zu tun als die katholische Kirche. Sind ganz krasse Beispiele von Overblocking.
    Das Ergebnis war dass ich beim nächsten Mal beim Notebook mit UMTS Modul mitgenommen habe. Denn so konnte ich wenigstens gescheit arbeiten..

  8. Mal abgesehen, dass an Schulen keine wie auch immer geartete „Standart“ existiert… dank SSL kann der Protokollierer nur vermuten, dass da wohl SMPT über den SMPT-Port läuft. Sollte man ja sowieso verwenden :)

  9. Von China lernen, heisst Siegen lernen

    (hoffentlich haut denen der regionale Datenschutzbeauftragte kräftig auf die Finger)

  10. Thaniel, was willst du dir in der Öffentlichkeit zu der eine Bibliothek durchaus gehört, an gewaltverherrlichenden oder pornografischen Material ansehen? Und wie sinnvoll kann man ohne eigenes Internet Mails schreiben oder sonstiges Intimes tun? Biblitohekeninternet kostet ja.

  11. Ich verstehe nicht wirklich was ihr daran jetzt so schlimm findet.
    Wie schon andere gesagt haben ist das in anderen öffentlichen Gebäuden schon lange so. Und da hat sich noch nie jemand darüber beschwert.
    Ist ja auch Selbstschutz von den Bibliotheken, denn was sollen sie sonst tun wenn sie sicherstellen wollen das sie nicht die alleinige schuld tragen wenn was Illegales mit ihrem Internet passiert. Denn im Moment sind sie ja als Betreiber des Internets haftbar, oder stimmt das nicht?
    Ihr übertreibt es mal wieder vollkommen mit eurer Internet ohne Grenzen für alle Fantasie. Denkt mal realistisch.

  12. @Thaniel

    Die haben aber auch sicherlich Dateien darüber wer ihre Bücher liest und werden sicherlich die rechtlichen Maßnahmen in Kraft leiten wenn jemand sie zerstört.. von daher gibt es da keinen unterschied.

  13. Gerade in einer Bibliothek ist es absurd, Zugriffe auf bestimmte Seiten sperren zu wollen.
    Wer dort über gewaltverherrlichende Websites, islamistische Propaganda oder rassistische Hetze recherchieren will, wird also feststellen, daß es sowas garnicht gibt. Tolle Wurst!

  14. „…alles nicht so schlimm…“

    Genau, schlimm ist es in Afrika, da hungern sie. Schlimm ist es in China, DA zensieren sie. Schlimm war es in den beiden Deutschlands, die 45 bzw. 89 dichtgemacht wurden, DA wurde zensiert und geblockt und überwacht. Wir hingegen leben in einer gesunden, stabilen und idealen Demokratie. Und wer was anderes sagt, der ist eben nicht demokratisch und hat auch kein Recht auf Teilhabe.

  15. Hä?
    Die schreiben einfach in der Ordnung rein, was fast jeder Webserverbetreiber mit combined-Logformat speichert…

    Wahrscheinlich werden die meisten die hier kommentieren auch so ein Webserver betreiben und dieselben Daten speichern :=)

    Das einzige anrüchige ist die lange Speicherzeit. Maximal 3 Monate sollten ok sein. Um etwaige Vorfälle durch die dauerhaft angreifenden Bottools und Kiddies zu analysieren reicht auch meist ein Monat Backup aus.

  16. Das mit der Pornographie ergibt sich vielleicht aus dem öffentlichen Raum. Trotzdem schwachsinn.
    Erinnert mich aber an den letzten besuch im Macstore in Muc wo ich als erstes mal zu einem Rechner gelaufen bin und getestet habe wieviele „Spins“ der Macstore bei Meatspin aushält. Nachdem ich meine Sachen gekauft hatte und wieder vorbeikam war der komplett ausgeschaltet …. lawl

  17. Schon blöd, wenn man als Wissenschaftler über
    – Gewaltaufrufe (Kriminologie)
    – Jugendkultur (Sozialwissenschaften)
    – oder den Klassiker: Pornografie (Anthropologie)
    oder einfach über
    – neue Medien forscht.

    Dann muss man die Gießener Stadtbibliothek leider erst verklagen.

  18. Schon blöd, wenn man als Wissenschaftler über
    – Gewaltaufrufe (Kriminologie)
    – Jugendkultur (Sozialwissenschaften)
    – oder den Klassiker: Pornografie (Anthropologie)
    oder einfach über
    – neue Medien forscht.

    Dann muss man die Gießener Stadtbibliothek jetzt leider verklagen. Oder ignorieren. Oder einfach die Vorschrift ignorieren.

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