Frankreich: Internetprovider zu Netzsperren verurteilt

In Frankreich wurden Ende Juli sieben Internetprovider (Orange, SFR, Telecom, Free, Auchan Télécom, Numericable, Bouygues et Darty) von der Behörde zur Regulierung von Online-Glücksspielen (ARJEL) vor Gericht zitiert. Jetzt fiel das Urteil des Tribunal de Grande Instance (TGI) in Paris und die Provider sind nun zum ersten Mal dazu verpflichtet, „mit allen Mitteln“ den Zugang zu einem Online-Glücksspiel zu sperren, das auf französischem Staatsgebiet als unzulässig gilt. Die Entscheidung ist umgehend wirksam und entscheidend für die Zukunft der digitalen Freiheiten in Frankreich.

Gestern Abend kommentierte Jérémie Zimmermann, Sprecher der Netzbürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net, die Entscheidung des Gerichts: „Erste rechtliche Entscheidung/ARJEL ist katastrophal. Provider sind dazu verpflichtet, mit allen Mitteln zu filtern: Per IP-Adresse, Domain, URL oder DPI“:

Im Urteil heißt es, dass

alle möglichen Mittel ergriffen werden müssen, die dazu dienen, den Zugang zum Dienst zu sperren, sei es durch das Sperren des Namens der Domain, der bekannten IP-Adresse, der URL oder durch Analyse der Inhalte (DPI), die alternativ oder eventuell begleitend eingesetzt werden können.

Das TGI hat dem Betreiber der ersten gesperrten Webseite nicht die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben. Dies ist insofern problematisch, da die Behörde ARJEL eigentlich das Subsidiaritätsprinzip zu respektiert hat. Vor jeglicher Zensur hätte sie sich zunächst an den Anbieter oder den Hoster wenden müssen.

Sollten sich die Provider weigern zu sperren, kann eine Strafe von bis zu 10.000 Euro täglich anfallen. Darüber hinaus müssen sie den „Vorsitzenden der Behörde [ARJEL] über die ergriffenen Maßnahmen, eventuelle Probleme und Resultate informieren“.

Von Owni befragt, antwortete die Quadrature du Net, dass „durch diese Entscheidung die Türen für eine Zensur-Infrastruktur im Netz geöffnet werden.“

Hier die gesamte Verfügung (pdf auf Französisch).

(Crossposting von vasistas?)

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8 Ergänzungen

  1. Unverständlich. Aber irgendwie passend zum Rest der meldungen aus Frankreich. Dort scheint eine Phase der Obrigkeitsradikalität angebrochen zu sein.

    Das Tabu DPI wäre damit auch gebrochen.

    1. @wii1and:

      Ein sehr interessanter Ansatz um Protest zu zeigen und Druck zu machen.
      Einfach mal die Seiten der Parteien und der Gerichte mit auf die Sperrliste packen.
      Fände ich mal einen guten symbolischen Akt um zu zeigen, was es bedeutet wenn man mit Sperren/Zensur erstmal anfängt.

  2. Gibts noch ein Gericht über dem TGI, dass diese blödsinnige Entscheidung möglicherweise wieder aufheben könnte?

  3. Wenn man der Obrigkeit nicht permanenten Widerstand entgegen bringt dann werden sie nicht davor zurückschrecken alles zu sperren was ihnen nicht passt. Irgendwelche Begründungen werden sie immer dafür finden.

  4. @Jan: Wenn man den Hintergrund kennt, wird es ein wenig plausibler:

    Seit Anfang Juni ist Online-Glückspiel in Frankreich grundsätzlich lizen-
    sierbar
    .

    Allerdings nicht pauschal und international, sondern lediglich auf Basis einer nationalen Lizenz. Bedeutet: Wer in Frankreich z.B. Online-Poker spielen will, kann dies ausschließlich bei in Frankreich lizensierten Anbietern.

    Die großen Online-Poker-Plattformen balgen sich gerade um eben diese Lizenzen, ein Spiel an den „internationalen Tischen“ der Anbietern wird für Franzosen aber nicht möglich sein.

    Ebenso wenig ein Spiel ausländischer Spieler an den „französischen Online-Tischen“ – sehr zum Missfallen der europäischen und us-amerikanischen Szene, die Spielstärke der französischen Spieler ist doch eher übersichtlich ,)

    Um diesen „walled glückspiel garden“ zu verteidigen, wird nun versucht Anbieter im Ausland auszusperren. Analog zur Lage hier zu Lande, mit dem Unterschied, dass es hier noch keine Onlinelizenzen gibt.

  5. Die Konfrontation der globalen privaten Anbieter mit den nationalen staatlichen Aufsichtsbehörden war absehbar.

    Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Paolo Mengozzi, erklärte am 4. März 2010: „Weder die Niederlassungs- noch die Dienstleistungsfreiheit berechtigten den Inhaber einer von einem Mitgliedstaat erteilten Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, die nicht auf sein Hoheitsgebiet beschränkt seien, oder von ihm beauftragte Dritte, im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten Wetten anzubieten. Dies gelte erst recht bei einer reinen Offshore-Lizenz“.

    Das Geschäftsmodell der globalen Glückspielanbieter, die mit einer „Offshore-Lizenz“ international agieren, wird auf Dauer von keinem souveränen Staat hingenommen werden.

    So ist auch hierzulande mit solchen Sperren zu rechnen. Das Internet kann kein rechtsfreier Raum sein.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.