Island: Parlament beauftragt Regierung mit Schaffung eines Datenfreihafen

Das isländische Parlament hat gestern die Regierung in Reykjavik damit beauftragt, die gesetzliche Grundlage für einen Datenfreihafen zu schaffen. Der Antrag der Icelandic Modern Media Initiative (IMMI) wurde einstimmig angenommen, wie die Futurezone berichtet: Island: Parlament schützt digitale Medien.

Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf habe es zwei Änderungen gegeben, so IMMI. Demnach wird die Regierung aufgefordert, eine Studie über Sicherheitsaspekte beim Betrieb von Großrechenzentren in Island zu erstellen. Außerdem soll die Regierung eine internationale Konferenz veranstalten, in deren Rahmen über die Änderungen debattiert werden soll, die durch die verstärkte Einführung von Technologien zur verteilten Speicherung und Verarbeitung großer Mengen von Daten (Cloud-Computing) sowie Staaten mit besonders liberalen Datenschutzgesetzen (Data-Havens) hervorgerufen werden.

Wir bleiben gespannt, ob alles so klappt, wie geplant. Die isländische Regierung muss jetzt die Vorgaben des Parlaments in Gesetzesform gießen.

Die Idee eines Datenfreihafens erinnert an ein „Schweiz für Bits”. Warum nicht die besten Gesetze aus verschiedenen Staaten zusammen mixen und eine neue gesetzliche Grundlage für ein digitales Island schaffen?

Aus Belgien könnte man Gesetze zum Schutz von Journalisten nehmen, aus Schweden die bewährten Gesetze, die Provider nicht für Inhalte verantwortlich machen und aus den USA den ersten Verfassungsgrundsatz, der die Meinungsfreiheit schützt. Diese Normen würden gute Vorlagen bieten und wären in der Praxis schon erprobt. Alles zusammen schüfe einen Rahmen, der Transparenz und Informationsfreiheit verbindet. Die reichhaltigen lokalen Energie-Ressourcen böten dazu die die Möglichkeit, einen solchen Datenfreihafen, der viele Rechenzentren braucht, auch noch ökologisch zu betreiben.

Das Ziel wird immer realistischer.

Die Vorgeschichte:

14. Februar 2010: Der Datenfreihafen in Island wird realer.
04. Januar 2010: Eine “Schweiz für Bits”? Wikileaks-Vortrag zum Datenfreihafen Island (Video).
28. Dezember 2009: Island zum Datenfreihafen machen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

24 Ergänzungen

  1. bin ma gespannt, wieviele geplatzte banken & korrupte regierungen es braucht, bis die menschheit sowas in betracht zieht

  2. Eine «Schweiz für Bits»?

    Leider ist der Vergleich passend – genauso wie das Schweizer Bankgeheimnis längst Geschichte ist, hätte wohl auch der isländische Datenfreihafen nicht lange Bestand … :(

  3. Wenn Island 2012 der EU beitritt, dann bleibt vermutlich vom „Datenhafen Island“ nicht mehr viel übrig. Sind hier Juristen die die Konsequenzen eines EU Beitritts Islands diesbezüglich abschätzen können?

  4. Bin am Montag zu einem Hearing im Europäischen Parlament zum Thema Meinungsfreiheit in Europa. Redner sind u.a. Daniel Schmitt v. WikiLeaks und die Sprecherin der Bewegung für ein neues isländisches Pressegesetz, Birgitta Jonsdottir. Werde berichten… kann man sich wohl aber auch live im Stream anschauen.

  5. Seht IMMI als Ansporn Europa nach vorne zu bringen und den Isländern zu zeigen, daß wir Freiheit und Transparenz nicht weniger schätzen, bloß weil wir schwerfälligere und vielleicht reaktionärere Regierungen haben! Es könnte auch alles gut werden…

  6. Ein „Datenfreihafen“ bringt meiner Meinung nach nur etwas, wenn die Daten durch Systeme verwaltet werden, die auf demokratischen Prinzipien basieren.

    Die Ansätze moderner social networks sind wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack auf solche Systeme. Ich sehe hier noch viel Potenzial.

    Wenn jedoch jeder dort Daten geschützt ablegen kann, die er dann im Netz veröffentlicht, ohne dass es eine „demokratische Komponente“ gibt, dann wird sich an der gezielten Beeinflussung und Verzerrung der öffentlichen Meinung durch die finanzstarken Konzerne über ihre Marketingabteilung nichts ändern.

  7. Was 42 gesagt hat. So ein einzelner Standort wird wahrscheinlich zum Tummelplatz fuer Spitzel und Spin-Doktoren aller Art. Richtig gut und sinnvoll wird das erst mit mehreren (moeglichst vielen) Standorten. Es ist ein Anfang, hoffentlich auch ein gutes Beispiel fuer andere.

  8. Jaja… und in einigen Jahren marschieren die Amisim Auftrag der MPAA und RIAA in Island ein um es zu befrieden, wegen Cyberterrorismuses…

    Aber ansonsten ists eine gute Nachricht.

  9. Konkretes Beispiel für mögliche Auswirkungen hierzulande: Wikileaks soll ja über eine Viertelmillion geheimer Nachrichten des U.S. State Departments verfügen. Darunter sollen auch brisante Informationen zum Kindesmissbrauchs-Skandal der katholischen Kirche in Deutschland (bzw. dem Umgang des Vatikans damit) sein:

    http://www.boingboing.net/2010/06/19/wikileaks-a-somewhat.html

    (1:45:00 PM) Adrian: what kind of scandal?
    (1:45:16 PM) bradass87: hundreds of them
    (1:45:40 PM) Adrian: like what? I’m genuinely curious about details.
    (1:46:01 PM) bradass87: i dont know… theres so many… i dont have the original material anymore
    (1:46:18 PM) bradass87: uhmm… the Holy See and its position on the
    Vatican sex scandals
    (1:46:26 PM) Adrian: play it by ear
    (1:46:29 PM) bradass87: the broiling one in Germany

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.