Kurzer internationaler Jahresrückblick

Für DRadio Wissen hab ich einen kurzen internatonalen Jahresrückblick auf 2010 eingesprochen, der heute gesendet wurde. Hier ist das Transcript.

Das internationale Top-Thema in diesem Jahr war Wikileaks. Die Transparenz-Plattform existierte zwar schon einige Jahre, aber erst in diesem Jahr hat das Projekt weltweit für Aufsehen erregt. Durch Wikileaks wurde Whistleblowing, das Geheimnisverraten, um Missstände aufzudecken, popularisiert. Auch Wikileaks wurde zu einem Popkultur-Phänomen, was längst über Nerd-Kreise hinausreicht. Die Popularisierung und der Starkult rund um den Gründer Julian Assange führte auch mit dazu, dass sich einige Mitstreiter im Sommer aus dem Projekt zurückzogen. Für Anfang des kommenden Jahres haben sie mit Openleaks eine neue Plattform angekündigt. Mehr Wettbewerb der Transparenzplattformen wird der Idee gut tun.

Die Diskussion um Wikileaks führte aber auch dazu, dass über Grenzen der Meinungs- Presse- und Informationsfreiheit diskutiert wurde. Gerade in den USA als eines der Kernländer dieser Grundrechte entbrannte eine Debatte, die für unsere Grundrechte im Netz eine Bedrohung werden kann. Insofern ist es eher erschreckend, wie viele Journalisten die Bedeutung von Whistleblowing für ihre eigene Arbeit und die Pressefreiheit nicht erkannt haben und gegen Wikileaks argumentierten.

Aber es gab in diesem Jah diesem Jahr auch weitere wichtige Themen im internationalen netzpolitischen Diskurs. Die vieldiskutierte Netzneutralität, das unzeitgemäße Urheberrecht und der Internetentzug als Strafe in Frankreich. Vor allem aber gab es das fragwürdige hinter verschlossenen Türen verhandelte Anti-Pirateriabkommen ACTA und eine gefährliche Idee der EU-Komission: In Deutschland gerade vom Tisch will die EU mit einer Richtlinie gegen Kindesmißbrauch die gefährliche Idee der Netzsperren wiederbeleben. In zehn Ländern der EU gibt es mittlerweile Netzsperren und in immer mehr dieser Staaten kann man sehen, wie schnell diese Infrastruktur auf andere Themen ausgeweitet wird.

Die Debatten zeigen: 2011 wird nicht nur das Jahr der neuen Whistleblowingplattformen – es wird auch das Jahr der Netzsperren. Wurde vor kurzem noch der Eingriff in Informations- und Meinungsfreiheit durch Netzzensur in repressiven Staaten kritisiert, scheint die Idee in demokratischen Staaten immer mehr Befürworter zu finden. Sowohl über ACTA als auch die europäischen Netzsperren wird Anfang kommenden Jahres im Europaparlament abgestimmt werden. Noch ist die Zeit da, um Abgeordnete zu kontaktieren und sie über die Grundrechtseingriffe aufzuklären. Es liegt an uns, für unsere Grundrechte, Freiheit und ein offenes Netz in einer digitalen Gesellschaft einzusetzen. Bevor es zu spät ist.

(Ich weiß, dass es noch zahlreiche andere Themen gegeben hat, aber versucht mal alles in unter 2:30 Minuten zu besprechen)

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9 Ergänzungen

    1. @Sebastian

      Für dich vielleicht kein großer Mehrwert. netzpolitik.org und DRadio haben aber vermutlich nicht ein Deckungsgleiches Publikum.

  1. Ich fürchte, es wird in den kommenden Jahren nicht mehr Wettbewerb der Transparenzplattformen geben, sondern es werden sich eher besser akzeptierte Weichspülversionen von Wikileaks durchsetzen. Aber vielleicht bin ich ja zu pessimistisch.

  2. OT, but please spread this:
    http://www.blackout4hungary.net

    \Blackout for Hungary

    On the 21st of December the party holding the majority of the Hungarian parliament voted in favor of a new media law that is a collection of some of the most oppressive and undemocratic laws from all over Europe including some worrying additions.

    To show our concern for fundamental rights and free speech we black out our online presence on the 5th January 2011 for 24 hours.\

  3. Markus ist total recht…
    immerhin halte Ich es wichtig the following auszudrucken:
    (…Es gibt zwei unendliche Dinge in der Welt, das Universum ist das erste und das zweite ist die menschliche Dummheit…) Albert Einstein

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.