Netzsperren: Kommentar zur Anhörung dänischer Experten

Ich frage mich gerade, was die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestag gerade machen. Vermutlich sitzen sie bereits im Sitzungsraum und bereiten sich auf die Anhörung zum Zugangserschwerungsgesetz vor, die in 5 Minuten beginnt (leider kein Livestream. Nachtrag: Bei Twitter werden erste Statements aus der Anhörung mit dem Hashtag #netzsperren versehen).

Vielleicht lesen sie auch gerade ihre Mails oder bringen sich hier bei Netzpolitik.org noch einmal auf den letzten Stand? Gut, dann hätte nämlich noch was. Alvar Freude hat sich mit der Stellungnahme des dänischen Polizist Lars Underbjerg beschäftigt, der vor dem Ausschuss aus der Sperrpraxis berichten soll:

Und bei dem, was er so in seiner Stellungnahme schreibt, verschlägt es einem die Sprache. Da heißt es zu Teilen der Sperrliste:

Den USA 126 Domains und Russland 10 Domains zu melden, damit sie vom Netz genommen werden, hätte wenig Sinn, denn dies hat in diesen Ländern eine sehr geringe oder gar keine Priorität.

Den USA wäre es also egal, wenn Webseiten Bilder verbreiten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern darstellen („Kinderpornografie“)? Glaubt er das wirklich? Das widerspricht übrigens auch Meldungen, dass die Zusammenarbeit insbesondere mit Russland vorbildlich läuft. […]

Und generell, zum mit- und nachlesen hier nochmal die Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen (PDF):

# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Boecker.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Frey.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Graf.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Heckmann.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Hoffmann-Holland.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Maurer.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Schnabel.pdf
# http://www.bundestag.de/[…]/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Underbjerg_deutsch.pdf

PS: Die Stellungnahme von Carmen Kerger-Ladleif (Dunkelziffer e.V., Hamburg) fehlt noch.

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8 Ergänzungen

  1. Kopie meiner Schreiben vom 15.7.10 an die Botschafter von USA und Niederlande:

    „Exzellenz,

    seit Monaten herrscht in Deutschland eine rege Diskussion zum Thema „Kinderpornographie“ und die Sperrung und Löschung diesbezüglicher Internetseiten.
    In seiner heutigen Ausgabe hat WELTONLINE aus einer Studie des zuständigen Bundeskri-minalamtes „alarmierende“ Zahlen zu den Löschungsbemühungen solcher Seiten gemeldet. Es wurde u.a. die USA als Serverstandorte benannt und es heißt:

    „Fazit des Bundesinnenministeriums in seinem Entwurf zu einem Aktionsplan gegen Kinder-pornografie ist, dass „die Kooperation zwischen den Staaten besser werden muss.“ Vor allem bei der Rückmeldepraxis aus den USA und den Niederlanden sieht das Ministerium „Verbes-serungspotenziale“.

    Offensichtlich, so muß ich wohl den Ausführungen entnehmen, zeigen Behörden und Firmen Ihres Heimatlandes wenig oder unzureichende Kooperationsbereitschaft, was ich mir allerdings nur sehr schwer vorstellen kann. Insofern wäre es sicherlich hilfreich, wenn Sie in der deutschen Öffentlichkeit die Bemühungen Ihres Landes darstellten.“

    Erwartungsgemäss erhielt ich keine Reaktion auf meine Schreiben.

    Ich bin der Auffassung, man müsste beide Botschaften zu Stellungnahmen auffordern. Allerdings sollte dies durch Personen erfolgen, die in der Öffentlichkeit einen Namen haben und somit nicht ignorieren kann.

  2. Ist doch klar, daß man so einen „Experten“ eingeladen hat. Bei der Zusammensetzung der Anhörungsrunde hätten die Sperrenbefürworter doch sonst fast auf verlorenem Posten gekämpft.

    Und weil nicht sein kann was nicht sein darf, hat man also dort jemanden der die tollsten Ammenmärchen erzählen darf. Wenn man halt keine Fakten hat um seine Position zu untermauern, muß man halt „andere Geschütze“ auffahren.

  3. @Andreas: Die Zusammenstellung der Sachverständigen verwundert tatsächlich ein wenig. Immer sind die Kritiker doch recht deutlich in der Überzahl.

    Damit stellt sich die Frage, ob inzwischen kaum noch ein renommierter Straf- bzw. Verfassungsrechtler für Sperren argumentieren will – oder ob die Fraktionen keinen gefunden haben.

    @KinNeko: Wenn ich Jimmy Schulz richtig verstanden habe [2], gibt es keine Aufzeichnung. Die Kameras waren aus.

    Es gibt inzwischen aber ein kurzes Statement von Ausschussmitglied Halina Wawzyniak (Die Linke):

    Die heutige Anhörung zum Zugangserschwerungsgesetz hat wieder einmal deutlich gemacht, dass Netzsperren kein geeignetes Mittel im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet sind. Ebenso sind sie als Mittel der Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder völlig ungeeignet. Netzsperren binden vielmehr Personal und Ressourcen, die besser in die Verfolgung der Täter und die tatsächliche Löschung von kinderpornographischen Inhalten im Internet investiert wären, so die Meinung der Mehrheit der Sachverständigen. […]

    Peinlich auch, dass das Interesse an der Anhörung eher gering gewesen zu sein scheint. Nun, für ein frühes Verlassen/eine Nichtteilnahmen mag es im Einzelfall gute Gründe geben. Ich finde ein solches Verhalten – gerade den Sachverständigen gegenüber – aber respektlos.

    Mal schauen, ob Jimmy Schulz noch etwas bloggt.

  4. Guten Abend zusammen,

    auch wenn ich sicherlich nicht alles mitbekommen habe – die Anspannung bei mir war doch ziemlich hoch – werde ich (aber frühestens Sonntag) das zusammenschreiben, was mir aufgefallen ist.

    Mir ist eben nicht aufgefallen, dass irgendwelche Kameras gelaufen sind. Aber in der Einladung steht, dass die Anhörung auf Tonband aufgezeichnet wird, um ein Protokoll zu erstellen und dass das Protokoll veröffentlicht wird.

    Ein Punkt, der Anlass zu Diskussionen geben kann ist, dass der Ausschussvorsitzende nicht neutral war – wie es nach dem, was mir erzählt wurde eigentlich üblich ist -, sondern hochgradig Tendenz erkennen ließ. Sein Schlusswort (sinngemäß „Wir müssen dann mal mit den Host-Providern reden“) ließ dann aber vermuten, dass Kauder mit einem Erkenntnisgewinn aus der Anhörung ging.

    Viele Grüße aus Berlin
    Dominik

  5. Jetzt reichts. Ich will das Recht auf Online-Übertragungen aus dem BT oder von wo auch immer etwas beraten wird! Die heissen doch Volksvertreter? Dann soll das Volk auch dabei sein können, wenn Entscheidungen getroffen werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.