Frankreich: Netzneutralitätsdebatte im Schneckentempo

Die Netzneutralität steht in Frankreich schon länger unter Beschuss, seit einiger Zeit gibt es aber auch Versuche, sie gesetzlich zu schützen. Am 17. Februar wurde in der französischen Nationalversammlung über eine gesetzliche Verankerung des Prinzips der Netzneutralität diskutiert. Grundlage hierfür ist ein Gesetzesentwurf (pdf) der sozialdemokratischen Parti Socialiste (PS).

Der Entwurf möchte allen französischen Bürgerinnen und Bürgern Neutralität und Gleichheit im Netz garantieren. Ziel ist also ein diskriminierungsfreies Netz, in dem Daten unabhängig von Inhalt, Herkunft und Bestimmung übertragen werden. Anlass des Entwurfs der PS waren unter anderem Berichte der Organisation Reporter ohne Grenzen, die immer öfter Verletzungen der Grundfreiheiten in Frankreich feststellt. Weiterhin soll der Entwurf in Frankreich das Grundrecht auf Breitband nach finnischem Vorbild sichern.

Artikel 1

Das Prinzip der Neutralität muss von Maßnahmen oder Entscheidungen respektiert werden, die eine Auswirkung auf die Organisation, die Bereitstellung oder die Nutzung eines öffentlichen Netzes haben. Dieses Prinzip wird definiert als das Verbot von Diskriminierungen aufgrund des Inhalts, des Senders oder des Empfängers eines digitalen Informationsaustauschs.


Im Vorfeld rief die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net dazu auf, die französischen Abgeordneten anzurufen und sich für die Neutralität und Gleichheit im Netz einzusetzen (Wiki).

Die Abstimmung im der Nationalversammlung wurde jedoch vorerst auf nächste Woche, den 1. März verlegt, denn Eric Besson, Minister für die digitale Wirtschaft (zuvor als Minister für Immigration und nationale Identität sehr aktiv) bezeichnet die Debatte als frühreif und meint:

es handelt sich um eine komplexe Frage, die ein großes Risiko birgt, die Wirtschaft eines ganzen Sektors durch unzweckmäßige Vorschriften zu destabilisieren.

Eine positive Überraschung wird es beim Votum wohl nicht geben. Die Mehrheit der Abgeordneten hat sich bereits gegen den Entwurf der Sozialdemokraten ausgesprochen und auch die Regierung kann sich nicht hierfür begeistern. Besson erklärte Anfang Februar, dass er die Datenautobahnen entlasten und Überholspuren einrichten möchte:

Der Datenverkehr nimmt jedoch weltweit jedes Jahr 50% zu. Besonders im mobilen Netz ist der Druck sehr groß mit einem jährlichen Wachstum von 250 %. Im Angesicht des Risikos der Überlastung stellt sich die Frage der Verkehrsregulierung.

Und auch die Google-Steuer ist zurück:

Einige Dienste, wie Google oder Facebook, nehmen einen immer größeren Platz im Mobil- und Festnetzbereich ein, ohne auf irgendeine Weise finanziell zur Infrastruktur oder deren Kreation beizutragen.

Besson ist der Meinung, dass die zukünftige Finanzierung der Netzwerke nur durch eine Abgabe der Webdienste möglich ist und es auf jeden Fall eine Priorisierung geben muss. Gegenüber den „Schwergewichten der Datenautobahn“ möchte Besson den Betreibern mehr Verantwortung und Rechte übertragen. Eine endgültige Entscheidung zu dem Thema möchte der Minister ja eigentlich auch erst Ende des Jahres herbeiführen. Besson möchte erst die Konferenz „Assises du Numérique“ im November und die Arbeiten der Europäischen Kommission abwarten.

Denn nicht nur in Deutschland und Frankreich ist die Netzneutralität ein vieldiskutiertes Thema: Aus Brüssel wird zur Netzneutralität zum Ende des Monats ein Weißbuch erwartet.

(Crossposting von vasistas?)

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