JMStVCamp: Interview mit dem Medienpädagogen Jürgen Ertelt

Wie, schon Dienstag und immer noch kein Bericht zum JMStVCamp bei Netzpolitik.org? Doch, schon, allerdings drüben, bei Hyperland. Ich bin fremdgegangen. Was es allerdings nur hier und exklusiv bei Netzpolitik.org geben wird, sind die Interviews, die ich für den Beitrag bei Hyperland geführt habe. Und zwar ungekürzt (somit auch unredigiert) und in voller Länge. Das ZDF/Blinkenlichten hat mir freundlicherweise eine Freigabe gegeben.

Den Anfang der kleinen Reihe gibt es hier mit Organisator Christian Scholz. Es folgt mein Gespräch mit dem  Medienpädagoge Jürgen Ertelt, der die Debatte im letzten Jahr als Sachverständiger begleitet hatte. Viel Spaß!

Jürgen Ertelt, Sozial- und Medienpädagoge, arbeitet als Koordinator im Projekt JugendOnline.eu bei IJAB, Fachstelle für Internationale Jugendarbeit

Wenn man mit Ihren Kollegen redet, scheinen die meisten nicht gerade
unglücklich, dass die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags
in der geplanten Form erst einmal gescheitert ist.

Nun, viele sind erst sehr spät in die Inhalte der Novellierung eingestiegen und sind froh, jetzt mehr Luft für eine tatsächliche Diskussion der Erneuerung zu haben. Der Novellierungsprozess als solcher war auch in der Fachöffentlichkeit aufgrund mangelnder Transparenz nicht ausreichend präsent.

Was läuft falsch im deutschen Jugendmedienschutz?

Die Medien und ihre Möglichkeiten haben sich durch die Digitalisierung sehr schnell verändert. Das Internet ist die Träger-Ebene für kommunikative Dienste, die das alte Rezipienten-Modell umkehren und jede NutzerIn auch zum potenziellen Sender machen. Viele VertreterInnen des Jugendmedienschutzes haben das nicht gänzlich verstanden und versuchen Apfel-Netze wie Birnen-Medien zu behandeln. Die erfahrene Netz-Gemeinschaft wurde bisher im gesetzgebenden, politischen Diskurs kaum einbezogen, – stattdessen wurde im Aberglauben auf nicht adäquate, technische Lösungen gesetzt.

Wie sollte ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz aussehen?

Wichtig ist, alle Beteiligten in die Medien-Sozialisation mit einzubeziehen. Jugendliche, Eltern, LehrerInnen und JugendarbeiterInnen müssen mit gestärkten Kompetenzen die Realität bewerten und Entscheidungen aushandeln. Dazu gehört auch eine Filter-Souveränität, die nicht verordnet sondern erlernt sein muss. Entsprechende Software-Hilfen zur selbstbewussten Navigation durch´s Web sind noch zu entwickeln. Letztlich fehlt die Initialisierung einer permanenten Ethik-Debatte.

Glauben Sie, dass Veranstaltungen wie das JMStV-Camp der politischen
Debatte Impulse geben können?

Das JMStV-Camp versammelte erstmalig und zahlreich die, die bisher im Novellierungsprozess des Jugendmedienschutzes zu wenig gehört wurden, – Netzaktive und LandespolitikerInnen. Es wird sichtbar, dass der Jugendmedienschutz ein relevantes gesellschaftliches Thema ist, das nicht der Bürokratie überlassen werden darf. Der Dialog mit Jugendschützern und  Medien-Verband-Lobbyisten wird gesucht, aber leider noch nicht auf Augenhöhe geführt. Ich wünsche mir weitere offene Veranstaltungen, die statt  Proporz-Podien engagierte Ideen für einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz hervorbringen. Die nächste Möglichkeit hierzu ist das Politcamp in Bonn und hoffentlich bald auch mal ein Termin bei der KJM in München.

(Disclosure: Das Interview wurde am Vortag des JMStVCamp per Mail geführt)

Morgen in dieser Reihe:

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