Microsoft schmeisst Party im Abgeordnetenhaus

Hallo? In Berlin wundert mich gar nichts mehr:

Where do you want to go today? Der Software-Multi Microsoft wird seinen Werbeslogan am 18. August so beantworten: Ab ins Abgeordnetenhaus! Der wegen seiner Geschäftspraktiken umstrittene Großkonzern lädt an diesem Datum alle Berliner Parlamentarier zu einer Werbeveranstaltung samt Buffet – in den Festsaal des Abgeordnetenhauses, direkt im Anschluss an eine Plenarsitzung. Als Vertreter des rot-roten Senats hat sich Ehrhart Körting (SPD) angekündigt. Der Innensenator wird auf dem Termin eine Rede halten.

… berichtet die TAZ heute, und zitiert dann u.a. noch die Microsoft-Sprecherin:

„Unser Engagement wurde politisch nicht als Problem empfunden. Warum sollten wir dann übersensibel sein?“, fragt Microsoft-Sprecherin Inger Paus. Schließlich hat die Lösung Festsaal handfeste Vorteile: Angesichts der Zeitnot der Parlamentarier, so Paus, wolle man ihnen die Teilnahme so einfach wie möglich machen.

Auch Parlamentspräsident Walter Momper hat keine Problem damit: „Ich halte es für richtig, wenn Firmen und Institutionen die Gelegenheit erhalten, Abgeordneten Informationen zu vermitteln – auch hier an Ort und Stelle“.

Offensichtlich gibt es aber doch ein politisches Problem damit, das Abgeordnetenhaus für eine Lobby-Party zu nutzen. Protest kommt von den Grünen, wie neben der TAZ auch Heise berichtet:

Generell stößt der Grünen sauer auf, dass sich das Parlament zwar bereits wiederholt dafür ausgesprochen habe, die Vormacht Microsofts in den Computerinfrastrukturen des Landes zu brechen und Alternativen mit Open Source zu testen, „der rot-rote Senat es aber immer genau anders macht“.

Vielleicht liegt es daran, dass der ehemalige CDU Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner mittlerweile Chef-Lobbyist bei Microsoft für den Bereich „Public Sector“ ist und seine ehemaligen Kollegen einlädt?

Auch für die Berliner Zeitung ist das ein Thema: Zu Gast bei Bill Gates

So steht es in der Einladung der Microsoft Deutschland GmbH, die die Abgeordneten jetzt erreichte, unterschrieben übrigens vom Ex-Senator und Ex-Abgeordneten der CDU, Wolfgang Branoner, derzeit wichtiger PR-Mann der Firma. Natürlich ist die Teilnahme an jenem Beisammensein freiwillig. Doch ist es schön zu wissen, dass ausgerechnet im Hause des demokratischen Souveräns ein paar abhängig Beschäftigte des reichsten Mannes der Welt, Bill Gates, zum Büfett laden? Noch dazu am Tag einer Plenarsitzung, am 18. August, wenn die Abgeordneten ihrer höchsten Pflicht genügen und den parlamentarischen Wettstreit austragen? Zwar beginnt die Veranstaltung laut Einladung nach Abschluss der Debatten – aber wird hier nicht doch auf eine etwas arg plumpe Art Lobbyismus betrieben?

de.internet.com berichtet noch über den wahren Grund: Microsoft versucht Berliner Senat mit edlem Empfang zu kaufen

Der Software-Konzern Microsoft hat alle 141 Abgeordneten des Berliner Senats am 18. August zu einem „Parlamentarischen Abend“ im Festsaal des Berliner Landesparlaments eingeladen. Was offiziell als Vorstellung „Microsoft Initiativen für Bildung und Innovation“ beim Land Berlin deklariert wird, ist eine Lobbyveranstaltung, bei der es um Updates für die rund 65.000 Desktops in den Berliner Landes- und Bezirksverwaltungen geht. In den Berliner Verwaltungen läuft weitestgehend noch Windows 2000 mit MS Office 97.

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