GlüStV: Schleswig-Holstein auf dem Weg zum Spielerparadies!

Im nördlichsten aller Bundesländer geschehen mitunter lustige Dinge. Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem eigenständigen Glückspielgesetz, das sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition ausgedacht hat.

Nein, wir reden nicht vom Glückspiel-Staatsvertrag, der hier in den letzten Wochen im Zusammenhang mit Netzsperren immer mal wieder Thema war. Wir reden über nichts weniger als eine handfeste Meuterei!

Schleswig-Holstein will beim neuen Glückspiel-Staatsvertrag nämlich nicht mitspielen. Zumindest nicht in der vorliegenden Form. Das hatten CDU & FDP bereits 2009 in ihrem Koalitionsvertrag (PDF, S.6/7) beschlossen:

Glücksspielstaatsvertrag
Schleswig-Holstein kündigt den Glücksspielstaatsvertrag und drängt auf eine bundeseinheitliche Änderung der bestehenden Rechtslage mit dem Ziel, das bestehende staatliche Glücksspielmonopol zu beenden.

Sollte es keine bundeseinheitliche Regelung geben, werden CDU und FDP die Einführung eines eigenen Konzessionsmodells in Schleswig-Holstein prüfen.

Ok, das staatliche Monopol wird – nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im September – auch wohl auch mit dem neuen Staatvertrag fallen müssen. Es gibt aber noch ein paar andere Punkte, die den Nordlichtern nicht gefallen.

Und was macht man als Bundesland, wenn man bei einem Staatsvertrag nicht mitspielen will? Genau, man macht sich selbstständig. Moment, …

Gut, das ist bei Staatsverträgen eigentlich nicht vorgesehen, hat die Regierung in Kiel aber auch nicht davon abgehalten, einen eigenständigen Gesetzentwurf (PDF) auszuarbeiten und der EU-Kommission vorzulegen. Und die hat das Werk nun wohl erstmal gebilligt.

So steht es derzeit nicht nur auf einschlägigen Zockerseiten (Die Kieler Initiative wird von div. Glücksspielunternehmen nicht ganz uneigennützig unterstützt), sondern auch in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Kieler Landtag vom Dienstag:

„Aus europarechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen unseren Entwurf. Europa sagt Ja zu unserem Kurs. Schleswig-Holstein geht damit in Vorlage“, erklärten die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU und FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Dr. Christian von Boetticher und Wolfgang Kubicki, heute (10. Mai 2011) dazu. […]

Mit Spannung warten die Fraktionen von CDU und FDP nun auf die Bemerkungen der Kommission zum Entwurf der anderen 15 Bundesländer: „Angesichts von Netzsperren, Abschottungssteuern und der willkürlichen Beschränkung auf sieben Konzessionen wird das ein böses Erwachen geben“, zeigte sich der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp überzeugt.

Und nun? Die Glückspielanbieter jubeln natürlich. Kein Wunder, der Gesetzentwurf aus dem Norden ist deutlich liberaler als der zur Diskussion stehende Staatsvertrag.

Sollte das Gesetz wie geplant diesen Sommer vom Kieler Parlament verabschiedet werden, könnte die Lizenzvergabe für 2012 bereits im Herbst dieses Jahres beginnen. Betfair wäre dann unter den ersten, die eine Lizenz für das kommende Jahr beantragen würden. (Quelle: Pressemitteilung von Betfair, 11.05.)

Ob man als Gegner von Netzsperren mitjubeln sollte?

Nun, da wäre zunächst einmal ein Missverständnis. Noch im letzten Jahr hatte sich Wolfgang Kubicki (Fraktionsvorsitzender der FDP) für Netzsperren ausgesprochen – und seine Aussage wenig später gegenüber Spiegel Online dementiert.

Viel entscheidender aber: Auch wenn im aktuellen Entwurf des Kieler Glückspielgesetzes (PDF) von Netzsperren tatsächlich keine Rede mehr ist, die Erfolgsaussichten der Meuterei im Norden sind – selbst bei dumpfen Casino-Licht betrachtet – letztendlich wohl eher gering.

Eine Konsequenz eines Alleingangs wäre wohl, dass Schleswig-Holstein aus dem Deutschen Lotto- und Totoblock fliegt. Ob die damit verbundenen Mindereinahmen (geringere Gewinnsummen auf Grund geringerer Attraktivität → weniger Mitspieler → weniger Einnahmen) durch eine „Glückspielabgabe“ kompensiert werden können, darf zumindest bezweifelt werden.

Eine von der Kanzlei Hambach & Hambach beauftragte Studie (PDF) stellt zwar durchaus erhebliche Mehreinnahmen durch eine Liberalisierung des Marktes in Aussicht, berücksichtigt dabei aber nicht einen möglichen Ausschluss aus dem Lotto- und Totoblock.

Anmerkung: Hambach & Hambach vertritt zahlreiche Klienten aus der Glücksspielbranche. Unter anderem wurde von der Münchener Kanzlei das Urteil des EuGH, in dessen Folge nun die Novellierung des GlüStV nötig wird, erstritten.

Denkbar wäre zudem, dass die 15 verbliebenen Bundesländer innerdeutsche Sperrverfügungen gegen in Schleswig-Holstein ansäßige Anbieter aussprechen müssten (Und nein, ich habe keine Ahnung, ob Spieler aus Schleswig-Holstein, die Kunde bei einem Provider sind, der seinen Geschäftssitz in einem anderen Bundesland hat, dann …).

Klingt absurd? Natürlich. Ebenso absurd wie die Idee eines Alleingangs im Norden. Völlig unabhängig davon, mit welcher Konsequenz die Kieler Regierung ihren mutmaßlichen Bluff spielt. So oder so, mit einem Showdown dürfte bereits in den nächsten Wochen zu rechnen sein (im Grunde zwangsweise vor der parlamentarischen Sommerpause).

Interessant dürfte dabei aber allenfalls werden, in welchen Punkten Schleswig-Holstein noch Änderungen am doch recht weit fortgeschrittenen Entwurf des Staatsvertrags einbringen kann. Zumindest bei den oben angesprochenen Punkten (Höhe der Besteuerung/Glücksspielabgabe, Anzahl der Konzessionen für private Glücksspielunternehmen und Internetsperren) sollte es Verhandlungsspielraum geben.

Nicht etwa, dass der GlüStV die bessere Lösung wäre. Ganz im Gegenteil, hier droht den Staatskanzleien nach dem JMStV tatsächlich das nächste Desaster. Allein, es gibt – Quorum* hin oder her – derzeit keine realistische Alternative. Den Staatsvertrag scheitern zu lassen, können sich die Länder allerdings auch kaum leisten.

*Update: Richtig ist, dass er Entwurf des GlüStV derzeit auf eine Zustimmung von 13 Ländern ausgelegt ist. 13 Länder müssen ihn bis Ende des Jahres mindestens ratifizieren, die Stimmen von 13 Ländern sind für Änderungen bzw. eine Verlängerung nötig. Es würde mich aber nicht nur aus o.g. Gründen wundern, wenn es die Länder auf eine nicht bundeseinheitliche (Übergang-)Regelung, evtl. bis zur Neuwahl in SH, anlegen. Der EuGH dürfte  da wohl auch nicht mitspielen.

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12 Ergänzungen

  1. Freiheit ist wohl nur gut, wenn sie von Grünen versprochen (und dann nicht umgesetzt) wird. Gähn.

    1. es gibt keine Alternative ?
      wieso sollte es keine geben?
      nur weil die Grünen keine haben?

    2. *kopfkratz* Wie jetzt, Freiheit? Für wen denn? Und was hat das mit den Grünen zu tun?

      Eigentlich ist es einfach: Das Monopol im alten Glückspiel-Staatsvertrag ist nicht zu halten, der EuGH fordert gleichwohl eine kohärente Regelung für den deutschen Glücksspielmarkt.

      D.h. die Länder müssen sich auf einen Staatvertrag einigen, der mit europäischem Recht zu vereinbaren ist. Einen „Domino-Effekt“ nach einem SH-Alleingang, wie in RA Wulf Hambach ihn vermutet, wird es wohl nicht geben:

      German gaming law authority Wulf Hambach, of lawyers Hambach & Hambach, told eGaming Review that this split between the Länder means Germany’s egaming market is likely to regulate on a state-by-state basis, resulting in “a domino effect”.

      Problem: Der Vorstoß aus SH ist utopisch (auch inhaltlich), der Entwurf der Länder liest sich, wie Swen Wacker im Landesblog richtig kommentiert, als sei er den Staatskanzleien vom Deutschen Lotto- und Totoblock diktiert worden. Kurz: Beides wird so nicht funktionieren.

  2. Vielleicht sollte man mal wieder an eine Mindermeinung einzelner Staatsrechtler erinnern, die Staatsverträge der Länder grundsätzlich für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar halten. Alles was bundeseinheitlich sein soll, müsste demnach vom Bund geregelt werden, in allem was den Ländern zusteht, sind sie frei, dürfen aber keine flächendeckenden Kooperationen eingehen.

  3. Eben, wozu gibt es Bundes- und Landeskompetenz. Ebenso schwachsinnig, wenn die EU den Ländern in ihre Kompetenzen reinredet.

  4. zur Info: die FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Länder hat heute erklärt, dass sie den aktuellen Entwurf nicht mitträgt. Das dürfte in den F-Ländern von Bedeutung sein.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.