GlüStV: Verwirrung um Sperrverfügungen

Es gibt eine gute und drei nicht ganz so gute Nachrichten zum Glückspiel-Staatsvertrag. Beginnen wir mit der ersten nicht so guten Nachricht.

Am Wochenende auf JMStVCamp in Essen kursierte das Gerücht, im aktuellen Entwurf des Glückspielsstaatsvertrags wäre eine erst kürzlich aufgenommene Passage gestrichen worden, die dedizierte Netzsperren auf Zugangsebene, bzw. die Enteignung von Domains ermöglicht. Das wäre dann wohl die umstrittene Nr. 5 in § 9 „Glücksspielaufsicht“ gewesen (Hervorhebung von mir):

5. Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen.

Auf Rückfrage bei der zuständigen Staatskanzlei Sachsen-Anhalt konnte man mir die Streichung leider nicht bestätigen. Aktuell wäre weiterhin der Entwurf vom 14.04., wie er auch der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt wurde. Denkbar sei allenfalls, dass einzelne Länder derzeit noch Änderungen vorbereiten. Davon wussten die Fachreferenten aber noch nichts. Unterzeichnung durch die Ministerpräsidenten? Evtl. im August.

Entsprechende Änderungswünsche könnten beispielsweise noch aus den rot-grün regierten Bundesländer NRW, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und ggf. Bremen kommen. Mit NRW, auch das war auf dem JMStVCamp in Essen immer wieder zu hören, seien keine Netzsperren zu machen (siehe auch: Koalitionsvertrag, S.80). Auch im noch nicht abgeschlossenen rot-grünen Koalitionsvertrag in Rheinland-Pfalz soll es Passagen geben, die Netzsperren ablehnen.

Die grün-rote Koalition in BaWü hat sich unlängst in ihrem Koalitionsvertrag (PDF) ebenfalls recht deutlich gegen Netzsperren ausgesprochen, setzt sich 18 Seiten zuvor im gleichen Vertrag aber für das vom Europäischen Gerichtshof de facto längst gekippte „staatliche Monopol bei Lotterien und Sportwetten“ ein. Und zwar ohne die Widersprüche aufzulösen, wie Swen Wacker im Landesblog richtig bemerkt.

Womit wir bei den beiden anderen nicht so guten Nachrichten wären. In NRW gibt es nämlich bereits Sperrverfügungen gegen 2 Glücksspielangebote. Ja, richtig gelesen. Betroffen sind Tipp24 und BWin. Verantwortlich ist – einmal mehr – die im Zuge von Ordnung und Gefahrenabwehr für das Glückspiel im Netz zuständige Bezirksregierung Düsseldorf.

Regierungspräsident Jürgen Büssow höchstselbst hatte es sich – nach seinem ersten Anlauf 2002 – nicht nehmen lassen, als eine seiner letzten Amtshandlungen im letzten Jahr noch einmal Sperrverfügungen zu erlassen (2008 hatte es die Bezirksregierung Düsseldorf bereits mit Domain-Enteignungen versucht).

Das Gerücht hielt sich zu schon länger, Torsten Kleinz hat sich in den letzten Tagen eine offizielle Bestätigung erkämpft. Interessant ist, dass die beiden betroffenen Provider Deutsche Telekom und Vodafone die Sperren nicht umsetzen, sondern Widerspruch eingelegt haben. Der hat zwar keine aufschiebenden Wirkung, da die Bezirksregierung die Verfügungen unter neuer Leitung aber auch nicht vollstreckt, gibt es in NRW derzeit zwar Sperrverfügungen – aber keine Sperren. Alles weitere bei Heise Online und Hyperland.

 

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

10 Ergänzungen

  1. tja. sie kommen der zensur des netzes immer näher…….tröpfchen für tröpchen…..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.